Tapas zum Abendbrot
Krieg natürlich. Nachdem sie Wadi ein paarmal in der Milchbar getroffen hatte, beschloss Astrid, den schönen Fremden ihren Eltern vorzustellen. Aber auch ihre Mutter hatte noch nie zuvor einen Menschen aus einem anderen Land gesehen, einen Fernseher besaà die Familie noch nicht. »Der sieht ja aus wie ein Neger!«, rief sie entsetzt, als Astrid mit Wadi zum ersten Mal auf dem Bauernhof ihrer Eltern auftauchte. Dabei war Wadi kaum dunkler als sie selbst.
Allerdings muss man die Reaktion von Mutter Schröder im Nachhinein als vergleichsweise gelassen betrachten. Ihr Mann brachte seine Meinung über die Wahl seiner Tochter nämlich noch drastischer zum Ausdruck: mit einer Tracht Prügel für Astrid.
Astrid durfte fortan nicht mehr ausgehen, musste um 19 Uhr zu Hause sein. Und die Nachbarn hetzten ihren Vater auf, er solle etwas unternehmen gegen die Beziehung zu diesem Fremden. Allerdings führte das bei seiner Tochter nur dazu, dass sie Wadi nun noch mehr wollte als zuvor. So sehr, dass sie ein dreiviertel Jahr später schwanger war.
»Ich war überhaupt nicht aufgeklärt«, erzählt Astrid heute. Zuerst sagte sie ihrer Mutter, was los war, die versuchte es dann schonend dem Vater beizubringen. »Du bist eine Nutte«, schrie er Astrid an. »Was sollen die Nachbarn nun denken? Schwanger! Und dann auch noch von einem Ausländer.«
Die Nachbarn waren damals tatsächlich der Meinung, dass das mit den beiden sowieso nichts werden könne. Mein Vater etwa erinnert sich noch, wie er und seine Freunde als kleine Jungs gafften, als die blonde Astrid und dieser schwarzhaarige Mann durchs Dorf spazierten. Wie gespannt sie später waren, einmal einen Blick in den Kinderwagen zu erhaschen. Und wie enttäuscht, als sie darin ein blondes Baby sahen.
Während der Schwangerschaft versuchte Astrid das Bäuchlein so lange wie möglich zu verdecken. SchlieÃlich wäre sie sofort von der Schule geflogen, wenn die Lehrer erfahren hätten, dass sie ein Baby bekommt. Sie hielt so lange durch, bis sie ihren Realschulabschluss hatte, dann war der Bauch nicht mehr zu verheimlichen. Jetzt wollte sie so schnell wie möglich mit Wadi aufs Standesamt. Und Astrids Eltern steckten damit in einer Zwickmühle.
Einerseits wollten sie nicht, dass ihre Tochter diesen dunkelhaarigen Lockenkopf mit dem komischen Nachnamen heiratete. Andererseits konnten die jungen Leute ja auch nicht unehelich zusammen sein. Die einzige Lösung: Wadi musste irgendwie verschwinden. Daher schmiedeten Astrids Eltern einen Plan: Wadi sollte zurück in den Libanon fahren, um seine Eltern zu fragen, was er nun tun solle. Sie dachten, dass er dann die Chance nutzen könnte, um einfach dortzubleiben.
Doch keine drei Wochen, nachdem sich Wadi im Sauerland in den Zug nach Tripoli gesetzt hatte, stand er wieder bei den Schröders auf dem Hof. Denn die Meinung seiner Eltern zu der Sache war eindeutig: »Fahr sofort zurück und heirate das Mädchen«, hatte sein Vater zu ihm gesagt.
Das war allerdings gar nicht so einfach. Nicht nur, dass alle möglichen Papiere aus dem Libanon zu beschaffen waren und Astrid mit ihren Eltern zum Jugendamt musste â schlieÃlich war sie noch keine 21. Die Standesbeamten hatten auch keine Ahnung, was nun eigentlich zu tun war. Eine Ehe zwischen einem Ausländer und einer Deutschen hatten sie noch nie geschlossen. Also suchten sie sich ein paar Informationen zusammen und setzten dann ein Schreiben auf, das sie vor der Trauung laut vorlasen, und das Astrid und ihre Eltern unterschreiben sollten. Wenn man dieses Dokument liest, dann kann man den Tränenausbruch ihrer Mutter durchaus verstehen.
»Wir sind soeben vom Standesbeamten des Standesamtes Letmathe belehrt worden«, hieà es dort, »dass â¦
a)die Braut, Astrid Elfriede Schröder, mit der EheschlieÃung zwangsläufig die Staatsangehörigkeit ihres Mannes erwirbt; eine Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit erkennt die Republik Libanon nicht an,
b)in den islamischen Ländern auÃer Tunesien und der Türkei der Mohammedaner berechtigt ist, bis zu vier Frauen gleichzeitig zu ehelichen,
c)der Mohammedaner berechtigt ist, seine Frau jederzeit ohne Angabe von Gründen zu verstoÃen,
d)die Frau nur in Ausnahmefällen berechtigt ist, die Aufhebung der Ehe zu begehren,
e)die Frau während des Ablaufs der Wartezeit nach VerstoÃung keinerlei Anspruch auf
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