Tapas zum Abendbrot
keineswegs übertrieben.
»Was machen wir jetzt?«, fragte ich meinen Freund entsetzt. »Meinst du, die streiken wirklich?«
»Phhhhifff.« Roberto stieà konsterniert Luft aus. »Das weià man nie bei denen. Wir müssen uns etwas überlegen. Wir könnten Autos mieten. Dann müssten aber alle einen Tag vorher losfahren, mindestens. VW-Busse vielleicht. So ein Mist! Warum müssen die ausgerechnet jetzt streiken?«
Wir schwiegen ratlos. 25 Tickets waren gekauft, einige der Gäste sollten erst spät am Vorabend der Hochzeit ankommen. Wenn diese Flüge nun kurz vorher abgesagt würden, kämen die Spanier nie im Leben rechtzeitig zu unserem groÃen Festtag an. Meine ganze perfekte Planung wäre über den Haufen geworfen! Wegen ein paar dummer, gieriger Fluglotsen.
Mittlerweile, zwei Wochen später und damit einen Tag vor dem 15. August, kündigen die Fluglotsen an, morgen würden sie wohl nicht streiken. Aber vielleicht übermorgen. Oder nächste Woche. Stündlich klicke ich mich deshalb durch die Nachrichten-Webseiten, spanische wie deutsche.
Keine Neuigkeiten seit heute Morgen.
Was habe ich mir auch dabei gedacht, ausgerechnet jemanden aus Spanien heiraten zu wollen? Die mit ihren hochkochenden Gefühlen immer! Wenn ein Spanier überzeugt ist, er sei im Recht, dann vertritt er das mit Leib und Seele. Und Spanier fühlen sich meistens im Recht.
»Immer noch nichts Neues von den blöden Fluglotsen«, schreibe ich im Skype-Chat an meine Freundin Nicole. Mit Nicole teile ich momentan alles, und Skype ist unser Lieblingsmedium. Die Erfindung, dass man über das Internet telefonieren und sich dabei sogar sehen kann, hilft nicht nur uns in Kontakt zu bleiben. Für Paare, die Tausende Kilometer voneinander entfernt wohnen, ist das eine Revolution. Eine Bekannte von mir hat beispielsweise ihren Laptop fast immer bei sich. Genau wie ihr Freund in Dubai. Die beiden sind per Liveschaltung immer über Skype verbunden: Sie frühstücken zusammen, trinken Kaffee, manchmal sehen sie sogar gemeinsam einen Film, indem sie die gleiche DVD in den Computer schieben und gleichzeitig starten. Abends gehen sie dank Skype gemeinsam ins Bett, stellen den Laptop neben sich, sagen »Gute Nacht« und lassen die Kamera die ganze Zeit laufen â sodass sie sich gegenseitig am nächsten Morgen wecken können.
Ganz so weit geht das bei Nicole und mir natürlich nicht. Aber trotzdem fühlen wir uns so verbunden â schlieÃlich sehen wir uns viel zu selten. Manchmal tauschen wir über den Skype-Chat nur Belanglosigkeiten aus wie: »Bin müde, und du?« Ein andermal schicke ich ihr Links zu Brautkleidern, die mir möglicherweise stehen könnten. (Dabei hängt mein Kleid längst fix und fertig auf mich zugeschnitten im Schrank.) Nicole ist genauso heià darauf, sich Brautkleider anzusehen wie ich, sie ist Journalistin wie ich, und sie lebt mit einem Mann aus einem anderen Land zusammen â wie ich. Und doch ist sie in einer ganz anderen Situation: Sie hat für ihren Freund ihre Heimat verlassen und muss sich jetzt in einem fremden Land mit einer fremden Sprache zurechtfinden.
Es ist ein dreiviertel Jahr her, dass wir ihr Hab und Gut in einen Transporter packten und sie sich auf den Weg machte. Ihr Ziel: Eine niedliche StraÃe in Kopenhagen, in der ihr Freund Morten eine Wohnung für die zwei gefunden hatte. Es ist ja nur Dänemark, dachten wir beide, als sie in den Transporter stieg und den Zündschlüssel herumdrehte. Nur Dänemark? Sicher, nach China oder Mexiko auszuwandern wäre eine gröÃere Sache gewesen. Für China oder Mexiko entscheidet man sich nicht mal eben so. Aber dass auch das Auswandern nach Dänemark so seine Tücken haben kann, glaubt kaum jemand. Nicole weià es jetzt. Sie erzählt mir auf Skype und am Telefon immer wieder von ihren neuesten Frustrationen. Davon, dass Morten ihr dabei helfen muss, das Ticketsystem der U-Bahn zu kapieren, Formulare auszufüllen, andere Menschen zu treffen und die Anleitung auf der Backmischung zu verstehen. Und davon, wie sehr sie das manchmal ärgert. Nicole mag ihre Unabhängigkeit. Fürs Erste hat sie sich jedoch von ihr verabschieden müssen. Ja, es ist nur Dänemark. Aber letztendlich erleben alle Ãhnliches, wenn sie für die Liebe in ein fremdes Land ziehen, wie groà oder klein die Entfernung auch sein mag.
Ich
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