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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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ihr, als sie auf ihrer Pritsche lag, und fächelte ihr Luft zu. Er streichelte ihr die Stirn und fragte mit kummervoller Miene, ob sie irgendetwas brauche, irgendetwas – so sagte er es, zweimal.
    »Ich will, dass Mullah Faizullah bei mir ist«, antwortete Mariam.
    »Natürlich. Er ist draußen. Ich hole ihn für dich.«
    Es war, als Mullah Faizullahs hagere, krumme Gestalt in der Tür erschien, dass Mariam zum ersten Mal an diesem Tag in Tränen ausbrach.
    »Oh, Mariam jo .«
    Er setzte sich zu ihr und nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Nur zu, weine ruhig, Mariam jo . Dafür musst du dich nicht schämen. Aber denk daran, mein Mädchen, was im Koran geschrieben steht: Segensreich ist Der, in Dessen Hand die Herrschaft ruht, Der über alle Dinge Macht hat, Der Tod und Leben geschaffen hat, damit Er dich prüfe. Der Koran spricht die Wahrheit, mein Mädchen. Gott hat seine Gründe, für jede Prüfung und jeden Kummer, die er uns auflastet.«
    Doch Mariam fand keinen Trost in Gottes Worten. Nicht an diesem Tag. Sie hörte immer nur Nana sagen: Ich sterbe, wenn du gehst. Ich sterbe, wenn du gehst . Sie konnte nur noch weinen und weinen und ihre Tränen auf die papierdünne und altersfleckige Haut der Hände von Mullah Faizullah fallen lassen.
    Kurz vor seinem Haus legte ihr Jalil, der neben ihr auf der Rückbank saß, einen Arm um die Schulter.
    »Du kannst bei mir wohnen, Mariam jo «, sagte er. »Ich habe bereits ein Zimmer für dich herrichten lassen. Im Obergeschoss. Es wird dir gefallen, glaube ich. Von dort hast du einen schönen Blick auf den Garten.«
    Zum ersten Mal hörte Mariam ihn mit Nanas Ohren. Klar und deutlich hörte sie jetzt die Unaufrichtigkeit heraus, die sich hinter seinen hohlen, falschen Versprechungen verbarg. Sie brachte es nicht über sich, ihm in die Augen zu schauen.
    Das Auto hielt vor Jalils Haus an; der Fahrer öffnete ihnen die Tür und trug Mariams Koffer. Die Hand um ihre Schulter gelegt, führte Jalil sie durch dieselbe Außenpforte, neben der Mariam vor zwei Tagen auf ihn gewartet und übernachtet hatte. Noch vor zwei Tagen hatte sich Mariam nichts sehnlicher gewünscht, als an Jalils Seite durch diesen Garten zu schlendern. Seitdem war für sie ein Lebensabschnitt vergangen. Wie konnte nur so schnell alles anders werden?, fragte sie sich. Mit gesenktem Blick ließ sie sich auf grauen Steinplatten zum Haus führen. Sie war sich der vielen Leute bewusst, die tuschelnd am Rand standen und zurücktraten, als sie an ihnen vorbeikam.
    Auch im Innern des Hauses blieben ihre Augen nach unten gerichtet. Sie ging über einen dunkelbraunen Teppich mit blauen und gelben Achteckmustern, sah aus dem Augenwinkel die marmornen Sockel von Statuen, die untere Hälfte von Vasen, die Fransen farbiger Wandbehänge. Die Treppe, auf der sie Jalil nach oben folgte, war sehr breit und mit einem ähnlichen Teppich ausgelegt, der an den Unterkanten jeder Stufe festgenagelt war. Oben angekommen, führte Jalil sie durch einen langen, ebenfalls mit Teppich ausgelegten Korridor. Vor einer der Türen blieb er schließlich stehen, öffnete sie und ließ sie eintreten.
    »Deine Schwestern Niloufar und Atieh spielen hier manchmal«, sagte er. »Aber meistens nutzen wir diesen Raum als Gästezimmer. Du wirst dich hier wohlfühlen, glaube ich. Hübsch, nicht wahr?«
    Das Zimmer hatte ein Bett mit einer grünen, geblümten Decke aus festem Waffelmustergewebe. Die dazu passenden Vorhänge waren zurückgezogen und gaben den Blick auf den Garten frei. Neben dem Bett stand eine Kommode mit drei Schubläden, darauf eine Blumenvase. Auf den Regalborden entlang den Wänden befanden sich gerahmte Fotos von Personen, die Mariam nicht kannte. Auf einem der Borde sah Mariam eine Sammlung hölzerner Puppen, die alle gleich aussahen, aber unterschiedlich groß und entsprechend aneinandergereiht waren.
    Jalil folgte ihrem Blick. »Matrjoschka-Puppen. Aus Moskau. Du kannst mit ihnen spielen. Es hätte niemand was dagegen.«
    Mariam setzte sich aufs Bett.
    »Hast du irgendeinen Wunsch?«, fragte Jalil.
    Mariam streckte sich aus und schloss die Augen. Wenig später hörte sie ihn leise die Tür zuziehen.
    Mariam blieb auf ihrem Zimmer, es sei denn, sie musste zur Toilette, die am Ende des Korridors lag. Die tätowierte junge Frau, die ihr die Außenpforte geöffnet hatte, brachte ihr die Mahlzeiten auf einem Tablett: Lammkebab, sabzi , aush -Suppe. Mariam rührte ihr Essen kaum an. Mehrmals am Tag kam Jalil, setzte sich aufs Bett und

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