Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
sollte über die Aussicht, ihre Hochzeit verschieben zu müssen, nicht so froh sein. Viel Glück damit, Taylor. Sogar wenn es dreißig Meter Schnee gibt, werden die Menschen es in fünf Tagen schaffen, alles auf die Reihe zu bekommen.
„Aber die Vorhersagen sind nie sonderlich genau. Wirklich, Wetteransager sind bekannt dafür, ständig danebenzuliegen. Stimmt doch, oder, Sam?“ Vielleicht hält sich der Schnee bis Donnerstag zurück …
Die Rechtsmedizinerin hörte nicht mehr zu. Sie hatte gerade einen ersten Blick auf die Leiche geworfen. Mitten in der Bewegung erstarrte sie.
Taylor legte ihrer besten Freundin eine Hand auf die Schulter. Alle persönlichen Sorgen waren mit einem Mal verschwunden.
„Ich weiß“, murmelte sie und drückte Sams Schulter. „Für mich sieht es auch so aus. Darf ich vorstellen, Janesicle Doe.“
„Wow, das scheint wirklich sein Werk zu sein.“ Sam kniete sich hin und betrachtete das Gesicht des toten Mädchens eindringlich.
„Er verändert es. Das hier ist keine reine Ablagestelle – nach der Menge an Blut zu urteilen, würde ich meine Marke darauf verwetten, dass sie direkt hier umgebracht worden ist.“
„Und zwar vor nicht allzu langer Zeit.“ Sam griff nach ihrer Tasche. Taylor wusste, was als Nächstes kam, und trat einen Schritt zur Seite, damit Sam ihre Arbeit tun konnte.
Die Scheinwerfer des herangeschlichenen Übertragungswagens gingen mit einem hörbaren Summen an und fingen Taylor ein. Sie entschuldigte sich und machte sich auf den Weg, die Kameras abzublocken. Mit jedem Mord wurden die Medien dreister. Taylor hatte allerdings nicht vor, sich den Fall durch irgendwelche wilden Spekulationen kaputt machen zu lassen.
Hinter sich hörte sie Sam flüstern: „Bingo.“
2. KAPITEL
Nashville, Tennessee
Montag, 15. Dezember
21:24 Uhr
Taylor rutschte unruhig unter den hellen Scheinwerfern des Regionalstudios von Fox in Nashville hin und her. Der Muttersender Fox News verlangte umfassende Informationen im Falle des Schneewittchenmörders, und Taylor war ausersehen worden, sich den bohrenden Fragen zu stellen. Sobald sie verkabelt war und ihren Platz eingenommen hatte, war die Moderatorin, der sie zugeschaltet werden sollte, zu einer Eilmeldung abberufen worden. Ein Selbstmordattentäter hatte sich inmitten eines Restaurants in Jerusalem in die Luft gesprengt und fünfzehn tote und zwei verletzte Amerikaner hinterlassen. Der Sonderbericht lief nun schon eine ganze Weile, was Taylor Zeit gab, ihre Zustimmung zu diesem Interview noch einmal zu überdenken.
Sie war dankbar für die Gelegenheit, einige Fakten zu präsentieren, hätte es aber vorgezogen, wenn der Sender mit Dan Franklin gesprochen hätte, dem offiziellen Pressesprecher des Metro Police Department. Sie war kein großer Freund von Live-Interviews. Verständlicherweise hatte das erneute Auftauchen des Schneewittchenmörders das ganze Land in Alarmzustand versetzt, von ihrer eigenen Stadt und ihrer Mordkommission ganz zu schweigen. Die Folge davon war, dass jeder da aushalf, wo es gerade am meisten brannte.
Sie wischte sich mit den Fingern über die Stirn und spürte kleine Schweißperlen. Es wäre nett gewesen, wenn man die Lichter ausgeschaltet hätte, solange sie warten musste. Blicklos starrte sie ins Dunkel des Studios, ihr Kopf schwirrte nur so. Der Sender hatte speziell sie angefordert. Sie vermutete, das hing mehr mit ihrem familiären Hintergrund zusammen als mit der Tatsache, dass sie die leitende Ermittlerin in dieser aufsehenerregenden Verbrechensserie war. Die Nachrichtensprecherin war gewarnt worden, keine Fragen zur Win-Jackson-Story zu stellen, und Taylor hoffte, dass diese Warnung einmal erhört würde.
Oh Win. Wo in der Welt bist du nur?
Unruhe kam auf. Der Techniker gab ihr das Signal, dass sie gleich auf Sendung gingen. Er zählte laut runter, bei drei verstummte er und zeigte ihr nur noch die entsprechende Fingeranzahl. Drei, zwei, eins. Sie atmete tief ein, stieß den Atem ganz langsam aus und setzte ein Lächeln auf.
“Jetzt schalten wir rüber zu Lieutenant Taylor Jackson von der Mordkommission der Metro Nashville Police. Wir werden über die grauenhafte Mordserie sprechen, die Music City, wie Nashville auch genannt wird, in Atem hält. Eine Stadt, die mehr an überspannte Country Stars gewöhnt ist als an Morde. Erst letzte Nacht ist ein weiteres Opfer dieses entsetzlichen Mörders gefunden worden.
Lieutenant Jackson, haben Sie die Leiche bereits
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