Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
Schneewittchennachahmer – ich fühle mich einfach nicht gut dabei, jetzt wegzufahren.“
Baldwin kam quer durch das Zimmer auf sie zu, legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. „Du weißt, dass sich die Lösung dieses Falles noch lange hinziehen kann, oder?“
Taylor schüttelte den Kopf. „Nein. Das wird nicht passieren. Ich spüre, dass wir kurz vor dem Durchbruch stehen. Ich weiß es einfach.“
Er beugte sich vor und küsste sie, und sie schmolz dahin. In den Händen dieses Mannes war sie Wachs, so viel stand mal fest. Als sie den Kuss unterbrachen, um wieder zu Atem zu kommen, legte sie eine Hand auf seine Brust.
„Mach das noch mal, und ich werde heute Nacht nicht brav ins Hotel gehen.“
„Mir macht es nichts aus, wenn du bleibst.“ Er beugte sich erneut vor, aber sie schob ihn lächelnd von sich.
„Ernsthaft.“
„Wir können die Flitterwochen verschieben, wenn du willst. Das ist kein Problem.“
„Bist du dir sicher?“
„Nein. Ich will hier so schnell wie möglich weg, aber ich kann das alles genauso wenig hinter mir lassen wie du. Also ja, lass mich ein paar Anrufe tätigen und alles erst mal auf Eis legen.“
„Du bist der tollste Mann der Welt, weißt du das?“
Er drehte sich nur um und schaute sie mit erhobener Augenbraue an. Eine offensichtliche Einladung. Lachend schüttelte sie den Kopf. „Ich gehe jetzt. Wir sehen uns morgen, ja?“
Sie gab ihm einen letzten Kuss, bevor sie zu ihrem Auto ging und in Richtung Innenstadt fuhr. Beim Hermitage Hotel angekommen, ging sie in ihr Zimmer und krabbelte ins Bett. Erleichterung durchflutete sie. Auf gar keinen Fall hätte sie die Stadt verlassen können, wenn noch so viel zu tun war. Sie musste den Schneewittchenmörder und seinen Nachahmer fassen, Jane Macias aufspüren und herausfinden, wer Frank Richardson umgebracht hat. Dann erst wäre ihr Gewissen rein genug, um das alles hinter sich zu lassen.
Sich ruhiger als seit Wochen fühlend, kuschelte Taylor sich in die luxuriösen Laken. Und bald schon wurde sie vom Schlaf übermannt.
Sie träumte von der Silvesterparty. Die Details waren deutlicher, unmittelbarer.
Wieder hockte sie in ihrem kleinen Versteck oben an der Treppe und sah dem Treiben im Erdgeschoss zu. Es schienen Hunderte von Leuten zu sein, alle in den aufwendigsten Kostümen. Die Musik war laut, und die Menschen wirbelten herum wie Marionetten. Champagnerflöten wurden in alarmierender Geschwindigkeit geleert, Kellner in Smokings kreisten durch den Ballsaal und sorgten dafür, dass die Gäste wohlversorgt waren.
Taylor merkte, wie sie unruhig darauf wartete, dass die Szene sich weiter entfaltete.
Die kräftige Frau mit der Marie-Antoinette-Perücke, dem gepuderten Gesicht und dem verrutschten Schönheitsfleck ließ sich schwer auf die unterste Stufe der Treppe fallen – ganze siebenundvierzig Stufen von Taylor in ihrem Versteck entfernt. Taylor spürte die Erschütterung des Beinahe-Falls der Frau, roch den Alkohol, der die Treppe hinaufschwebte und sich mit einem anderen Geruch verband, einem pudrigmoschusartigen Duft. Die Frau kicherte und scheuchte ihre herbeigeeilten Retter fort. Nachdem drei Kellner ihr aufgeholfen hatten, watschelte sie davon, wobei ihr Kostüm gefährlich ins Rutschen geriet. Ihre Frisur hatte sich aufgelöst und schaute unter der Perücke hervor, lange Strähnen, die sich dunkel gegen das cremefarbene Korsett abzeichneten.
Dann herrschte einen Augenblick Stille, bevor ihr Vater und ihre Mutter in Sicht kamen. Sie hatten mehrere Leute im Gefolge.
Ihre Mutter beschwerte sich über die Frau, deren Kostüm ihrem so sehr ähnelte. Die Frauen alberten miteinander herum und bemitleideten sie. Wie unhöflich, sich nicht vorher mit der Gastgeberin bezüglich des Kostüms abzustimmen.
Die Männer sprachen laut und vom Alkohol beflügelt miteinander.
„Win Jackson, du bist offensichtlich einen Pakt mit dem Teufel eingegangen“, rief ein dunkelhaariger Mann.
„Ja, Win, dein eigenes kleines Manderley, nicht wahr? Was hast du in deinem letzten Leben angestellt, dass du in diesem so viel Glück hast? Der Richter hätte dich in den Knast werfen sollen, anstatt die Klage abzuweisen.“ Ein blonder Mann mit dicken Brillengläsern klopfte ihrem Vater kräftig auf die Schulter. Win lachte.
„Manderley? Verdammt, lass uns nur hoffen, dass dieses Haus nicht auch bis auf die Grundmauern niederbrennt. Kitty würde mir den Kopf abreißen.“
Einer der Männer hustete, hob
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