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Tenebra 2 - Dunkle Reise

Tenebra 2 - Dunkle Reise

Titel: Tenebra 2 - Dunkle Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
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beobachteten uns. Außerdem hatte Ruane verdient, was er bekommen hatte. Nathan verdiente nicht, was er bekam, nämlich Stadt und Grafschaft Tenabra, aber das hatte nichts zu sagen. Er würde es so oder so bekommen.
    Seiner Ehre und seines Vermögens verlustig. Das bedeutete Enteignung. Die Nachkommen Graf Ruanes waren damit enterbt. Seine Witwe hatte sich in ein Hospiz zurückgezogen. Es war amtlich: Fürst Nathan konnte mit Tenabra tun, was er wollte.
    Jetzt nahm er Ruanes goldene Amtskette in beide Hände und brach sie mit einem Ruck seiner kräftigen Arme und Schultern. Ich fragte mich, ob jemand die Kettenglieder zuvor mit einer Feile bearbeitet haben mochte. Wahrscheinlich. Nathan überließ nichts dem Zufall.
    Nicht einmal den Gesichtsausdruck. Zu diesem Anlass stellte er edle, würdevolle Trauer mit einem Anflug von rechtschaffenem Zorn zur Schau. Sehr passend. Er verschränkte die Arme und neigte bekümmert den Kopf.
    Der Priester Arnus, des Gottes der Gerechtigkeit, trat vor. Er hatte die Kapuze seines Gewandes über den Kopf gezogen, damit seine Gesichtszüge nicht gesehen werden konnten. Er war jetzt die Verkörperung des Gottes, der kein Gesicht hat. Gerechtigkeit ist unpersönlich und blind. Heißt es. Die Tempelglocke begann langsam zu schlagen, einen tiefen bronzenen Ton für jedes Jahr von Ruanes Leben. Achtunddreißig Schläge ertönten, und die Echos widerhallten von den Wänden. In der lautlosen Stille, die darauf folgte, klang das Zuschlagen des Buches wie Erde, die auf einen Sargdeckel fällt. Der Hohepriester streckte die Hand aus und löschte die einzige Kerze, und alles war in tiefe Dunkelheit getaucht. So viel für Ruanes gequälte Seele. Ich fragte mich, ob ich es an seiner Stelle besser hätte machen können. Wahrscheinlich nicht.
    Die Flügeltüren schwangen geräuschlos auf – Nathans Bühneninszenierung hatte darauf geachtet, die Scharniere zu schmieren.
    Die Fackeln draußen verbreiteten genug Licht, damit wir nicht übereinander fielen, als wir den Tempel verließen, was die Würde der Zeremonie verdorben hätte. Und wir alle verhielten uns sehr würdevoll, denn alles geschah unter Nathans aufmerksamen Augen. Ich fühlte seinen Blick kalt im Nacken.
    Sobald wir draußen waren, war auch der Herold zur Stelle, um sich zu vergewissern, dass wir Nathans Aufforderung nachkamen. Ich wiederum wollte sichergehen, dass die Leute von unserer Vorladung erfuhren. Es kam vor, dass Personen, die man mitten in der Nacht zu Nathan rief, nie wieder gesehen wurden.
    »Dürfen wir den Grund erfahren, dass wir so dringlich zu seiner Hoheit befohlen wurden?«, fragte ich vernehmlich, ganz der selbstbewusste Aristokrat.
    Die Miene des Höflings blieb ausdruckslos, als er sich leicht verneigte und in verbindlichem Ton antwortete: »Seine Hoheit hielt es nicht für angebracht, mich in Kenntnis zu setzen, Ser.«
    Silvus strich sich über den grauen Ziegenbart und warf mir einen Blick zu. Wir saßen auf. Auf dem Weg zum Palast mussten wir an Swechers Wirtshaus vorbei. Jedes Mal, wenn ich an diesem Gebäude vorbeikomme, bleibt mein Blick daran hängen. Dreigeschossig und mit einem steilen Giebeldach, war es der schicksalträchtige Ort, wo wir Schwester Winterridge vom Orden der Siegesgöttin getroffen hatten. Benny der Stallknecht hatte einen Sandasti-Meuchelmörder von diesem Dach gestoßen. Beinahe hätte ich nach der Verfärbung auf dem Kopfsteinpflaster Ausschau gehalten, aber natürlich würde sie nicht mehr zu sehen sein. Frau Swecher hält auf Sauberkeit in ihrem Haus. Jeglicher Unrat wird prompt beseitigt.
    Schwester Winterridge war der Grund, dass wir nach Westen gezogen waren, um bei der Verteidigung von Ys zu helfen, dem Mutterhaus des Ordens. Ihres Ordens, des klösterlichen Ordens der Siegesgöttin, nicht Nathans Talmiorden vom Goldenen Speer. Die Schwertjungfrauen, wie sie von den Balladensängern genannt wurden. Tatsächlich verließen sie sich im Kampf mehr auf Stangenwaffen wie die Hellebarde. Mit solch einer Waffe hatte auch die gute Schwester Winterridge einen der Sandasti niedergestreckt, die Ruane ausgesandt hatte, uns einen Hinterhalt zu legen: eine weitere unritterliche Tat. Wie es schien, verhielt sich heutzutage jeder unritterlich. Ausgenommen natürlich Silvus, der lieber sterben würde und ebendies beinahe auch getan hätte.
    Was mich wieder auf die Frage möglicher Bedrohungen brachte. Was in aller Welt wollte Nathan von uns? Die Sperrstunde rückte näher. Die Straßen waren dunkel

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