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Schatten der Vergangenheit (German Edition)

Schatten der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schatten der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fromwald
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Das Vorspiel
     
    „Henry, du alter Säufer.“ Philippe schüttelte seinen Halbbruder, der auf dem dunkelblauen Teppich der Sunrise Suite des Four Seasons in Las Vegas lag. Das glänzende dunkelblaue Versace Seidenhemd von Henry, das dieser noch gestern in der Boutique am Strip erstanden hatte, war am linken Arm hochgerollt und eine Nadel steckte in der Vene.
     
    „Henry, mach keinen Unsinn.“ Philippe fasste mit zitternder Hand nach der Injektion und zog sie heraus. Er lockerte den Schlauch um den Arm des Bruders und warf die Nadel in einem weiten Bogen auf das große Bett. Sein Halbbruder zeigte keine Reaktion. Panik stieg in dem Achtzehnjährigen auf. „Henry!“ Philippe schüttelte seinen Bruder wieder. „Henry!“ Die Scherze seines um sechs Jahre älteren Halbbruders gingen nun wirklich zu weit.
     
    Henry schlug die Augen auf. Er hatte die hellblauen Augen seiner Mutter, ebenso das rotblonde, glatte Haar, das er im Gegensatz zu seinem jüngerem Halbbruder kurz und mit Gel gestylt trug. „Hallo Prinzchen...“, brachte er hervor, aber es fiel ihm schwer.
     
    „Henry, ich hatte schon Angst, du bist tot“, meinte Philippe erleichtert. Henry sah ihn mit dem glasigen Blick eines Junkies an, aber er sah ihn, oh ja. Seinen kleinen Bruder, seinen schönen Bruder... War das Gesicht seines Bruders das letzte, was er auf dieser Welt sehen würde? Wie makaber, wo er doch seinen schönen Bruder über alles hasste, so sehr hasste. Sollte er ihm noch erzählen, was er mit dem blonden Mädchen gemacht hatte? Dazu war es wohl zu spät.
     
    „Fuck, ich glaube, das war ein guter Schuss“, flüsterte Henry und schloss wieder die Augen. Er streckte die Hand aus und seine langen, knochigen Finger umklammerten das Handgelenk seines jüngeren Halbbruders mit einer unglaublichen Stärke, die man einem sterbenden Drogensüchtigen kaum zugetraut hätte. So war es also, wenn man starb, dachte er kurz und rang nach Atem.
     
    „Henry!“ flüsterte Philippe entsetzt – unfähig zu handeln, weil sein Kopf schmerzte, die Welt um ihn in Watte gepackt war und er in dem Moment nur den einzigen Wunsch hatte, sich zu seinem Bruder zu legen.
     
    „Henry...“ Er wiederholte den Namen seines Bruders noch unzählige Male, bis man ihn neben der Leiche seines Bruders fand – oder vielmehr halb auf ihr. Er wollte ihn nicht loslassen und erst zwei Polizisten konnten ihn mit vereinten Kräften von der Leiche ziehen. „Henry, du kannst mich nicht alleine lassen!“ brüllte er – und nahm nicht wahr, dass unzählige Journalisten ihn sahen, als man ihn aus der Suite zerrte und er sah auch nicht das junge, blonde Mädchen, das hinter einer Säule stand und ihn beobachtete.
     
    Henry Francois d´Arthois starb mit fünfundzwanzig Jahren an einer Überdosis Heroin. Den Sonnenaufgang sah er nicht mehr.
     
    „Einer weniger“, murmelte Benjamin und schlug die Zeitung zu, die er am Frühstückstisch vorfand. Er sah auf und sah die Frau an, der er gestern einen Heiratsantrag gemacht hatte. Sie war so, wie er sich immer seine zukünftige Ehefrau vorgestellt hatte: dunkelhaarig, mit der Figur eines Modells, intelligent mit einem baldigen Universitätsabschluss, blutjung und das Beste – sie war jüdisch. Keine Schickse – nein, sie war Jüdin, durch und durch und ihre Großmutter war wie seine, eine Auschwitzüberlebende. Sie würde die Mutter seiner Kinder sein. Und er hatte vor, viele davon zu haben – das allerdings wusste sie noch nicht.
     
    Sie sah ihn fragend an. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie an ganz etwas anderes gedacht hatte. „Was meinst du?“ fragte sie und sah kurz auf den riesigen, leicht rosa glänzenden Diamantring, der jetzt ihre Hand zierte. Wie viel Karat der wohl hatte? Morgen oder heute noch, im Laufe des Tages würde sie es genauer wissen. Ah, Papa würde das sicher wissen. Papa wusste ohnehin schon, dass Benjamin sie heiraten wollte, denn Benjamin hatte traditionell ihren Vater zuerst gefragt. Wie altmodisch, aber so war Ben eben. Beruhigenderweise war er auch stinkreich. Sie sah von dem Ring auf und sah jetzt erst, dass ihr Verlobter eine Zeitung las. Wahrscheinlich eines dieser dummen Finanzblätter, oder?
     
    „Ach, ein Artikel über so einen Rauschgiftsüchtigen“, erklärte Benjamin, nahm einen Schluck von dem schwarzen, italienischen Kaffee und sah dabei auf seine klassische Breguet mit dem braunen Lederarmband. Verdammt, er war spät dran. Wenn er nicht sofort losging, würde er zu seiner

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