Teufelsengel
auch der Tatort?«
Das war Ingo Pangold. Seine Fragen erweckten bei Bert immer den Eindruck eines Angriffs. Er hätte dieses Empfinden nicht begründen können. Manchmal lag es an der Formulierung der Frage, manchmal an der Betonung und manchmal schlicht am arroganten, fast schon unterkühlten Auftreten des Journalisten.
»Ja.«
Bert ärgerte sich über sich selbst. Warum konnte er nicht damit aufhören, alles persönlich zu nehmen? Wieso konnte er nicht einfach das Frage-und-Antwort-Spiel hinter sich bringen und endlich wieder an die Arbeit gehen? Um Ingo Pangold zu provozieren, beließ er es bei dieser einsilbigen Antwort.
»Sicher?«
Klar, dass ein Mann wie Pangold es auf eine Konfrontation ankommen ließ. So einer sollte in die Politik gehen, dachte Bert. Er würde auf jeder Talkshowcouch eine gute Figur machen.
»Bei dem Wasser in den Lungen des Toten handelt es sich eindeutig um Wasser aus dem Fühlinger See.«
Bert wandte den Blick demonstrativ von Ingo Pangold ab. Er hasste es, sich bei Vorurteilen zu ertappen. Dieser Kerl war ihm von der ersten Sekunde an unsympathisch gewesen.
Der Journalist grinste. Als hätte er einen Sieg errungen.
Idiot, dachte Bert.
»Können Sie uns etwas mehr über die Tätowierung erzählen?«
Die Frage kam von einem jungen Mann in der ersten Reihe, der selbst ein Tattoo trug, zwei chinesische Schriftzeichen in Schwarz und Rot, links am Hals, vom Hemdkragen halb verdeckt.
»Leider nein. Sie verstehen, dass wir unsere Ermittlungsarbeit nicht erschweren dürfen, und dies ist so ein Punkt, über den ich noch nicht sprechen möchte.«
Ingo Pangold grinste noch breiter, und Bert fragte sich, ob dieser Mann wieder einmal mehr wusste als seine Kollegen. Er war sich sicher, dass Pangold über zweifelhafte Verbindungen zur Polizei verfügte.
»Ein aufgeschlagenes Buch ist nicht gerade der Burner unter den Tattoos.«
Einige Journalisten lachten, aber Ingo Pangold teilte ihre Heiterkeit nicht. Herausfordernd blickte er Bert in die Augen.
Was weiß er?, fragte sich Bert. Weiß er noch mehr oder blufft er bloß?
»Möglich«, sagte er.
»Das heißt«, meldete sich eine Journalistin, die sich, was die Schärfe ihrer Bemerkungen betraf, locker mit ihrem Kollegen Pangold messen konnte, »das heißt, dass Sie noch immer im Trüben fischen.«
Eine äußerst passende Formulierung im Fall eines Ertrunkenen, dachte Bert. Aber für ihr Feingefühl werden die Leute schließlich nicht bezahlt.
»Das würde ich so nicht sagen.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete die Gesichter, von denen er einige heute zum ersten Mal sah. Der Chef hatte sich kurz vor der Pressekonferenz entschuldigen lassen. Der wusste mit seiner Zeit besseres anzufangen.
Was tue ich hier eigentlich? Wieso gebe ich mich als Zielscheibe für die Profilierungsversuche dieser Leute her?
Da meldete sich die junge Frau mit den kurzen Haaren zu Wort. Sie konnte nicht älter als Anfang zwanzig sein. Ein Greenhorn, dachte Bert. Er war gespannt auf ihre Stimme.
»Mein Name ist Romy Berner«, stellte sie sich vor, und ihre Stimme war hell und klar und unerschrocken. »Ich schreibe für das KölnJournal. Mich würde interessieren, was für ein Mensch Thomas Dorau gewesen ist.«
Mit einer solchen Frage hatte Bert schon lange nicht mehr gerechnet. Es geschahen offenbar doch noch Zeichen und Wunder.
Im Kreis der Journalisten machte sich Unruhe breit. Wahrscheinlich fragten sich manche, ob jetzt ein Ausflug in die Psychologie folgen würde. Andere schienen Romy Berner zu belächeln. Anscheinend befand sie sich noch in der Ausbildung und wurde nicht für voll genommen.
»Er war Musiker«, erklärte Bert. »Spielte Saxofon in einer Band.«
»Muss man die kennen?«, fragte jemand aus dem Hintergrund.
Bert würde sich die Gesichter und die dazu gehörenden Namen mit der Zeit einprägen. Und erfahren, welche Gedanken in den einzelnen Köpfen steckten. Viele Sichtweisen würden ihm nicht gefallen. Doch das war auch nicht nötig.
»Die Band besteht aus lauter jungen Leuten«, sagte er. »Und wenn sie durch den Tod ihres Saxofonisten jetzt nicht auseinanderbricht, hat sie jede Chance der Welt, nach oben zu kommen.«
Danach meldete sich niemand mehr. Bert schaute auf seine Armbanduhr und wechselte einen Blick mit dem Polizeisprecher, der die ganze Zeit in irgendwelchen Papieren geblättert hatte. Anscheinend empfand er auch jetzt nicht das Bedürfnis, sich einzumischen. Bert nickte ihm zu und beendete die
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