The Walking Dead: Roman (German Edition)
alles geben zu können wie zuvor. Dennoch würde es nie mehr so sein wie zuvor. Vielleicht ist das der Grund für all das, was jetzt passierte. Ein kleiner Scherz von Gott. Wenn Heuschreckenplagen über das Land kommen und Blut die Flüsse rot färbt, nimmt der Mann, der am meisten zu verlieren hat, das Ruder in die Hand.
»Ist doch egal, wer sie einmal waren«, sagt Philip schließlich. »Oder was sie einmal gewesen sind.«
»Hm … Vielleicht hast du recht.« Mittlerweile hat sich Brian wieder etwas besser im Griff. Er sitzt mit überkreuzten Beinen auf dem Boden und atmet tief ein und aus. Er wirft einen Blick auf Bobby und Nick, die jetzt eine große Plane ausrollen und Müllsäcke bereitlegen. Dann schleppen sie die triefenden Leichen auf die Plane.
»Das Einzige, was jetzt zählt, ist aufräumen«, gibt Philip zu bedenken. »Wir können heute Nacht hier bleiben. Und wenn wir morgen früh Benzin auftreiben, fahren wir bis nach Atlanta weiter.«
»Das macht keinen Sinn«, murmelt Brian und starrt auf die Leichen.
»Was soll das heißen?«
»Schau sie dir doch an.«
»Was?« Philip wirft einen Blick über die Schulter auf die grausigen Überreste. Nick und Bobby sind gerade dabei, die Frau in die Plane einzupacken. »Was soll sein?«
»Das ist eine Familie.«
»Na und?«
Brian fängt wieder zu husten an und hält sich dann den Ärmel vor den Mund, um ihn daran abzuwischen. »Was ich damit sagen will … Wir haben eine Mutter, einen Vater und vier Kinder im Teenageralter … Fällt dir nichts auf?«
»Nein. Was soll mir auffallen?«
Brian blickt zu Philip hoch. »Wie kann so etwas passieren? Sind sie etwa alle auf einmal … Oder ist einer von ihnen gebissen worden und hat sich dann auf die anderen Familienmitglieder gestürzt?«
Philip überlegt einen Moment. Schließlich denkt auch er in stillen Momenten durchaus darüber nach, was vor sich geht und wie dieser Wahnsinn überhaupt angefangen hat. Doch dann langweilt ihn das Denken, und er meint: »Los, steh auf und fang endlich an, uns zu helfen.«
Es dauert eine Stunde, bis sie alles halbwegs aufgeräumt haben. Penny wartet die ganze Zeit über in der Abstellkammer. Philip bringt ihr zwei Kuscheltiere aus einem der Kinderzimmer und verspricht ihr, dass sie bestimmt bald herauskommen darf. Brian wischt das Blut auf und kämpft dabei immer wieder gegen seine Hustenanfälle an, während die anderen drei verpackte Leichen – zwei große und vier kleinere – aus der hinteren Schiebetür auf die Zedernholzveranda schleppen.
Es ist Ende September, und der klare Nachthimmel wirkt eisig wie ein schwarzer Ozean. Unzählige Sterne schimmern auf sie herab und scheinen sie mit ihrem teilnahmslosen und doch fröhlichen Funkeln zu verspotten. Der Atem der drei Männer steigt weiß in der Dunkelheit auf, als sie die Bündel über die mit gefrorenem Tau bedeckten Holzplanken zerren. An ihren Gürteln hängen Pickel, und Philip hat sich eine Pistole hinten in den Hosenbund gesteckt – eine alte Ruger mit einem Zweiundzwanziger-Kaliber, vor vielen Jahren auf einem Flohmarkt erstanden. Er hat nicht vor, die Waffe zu benutzen, denn er will die Untoten nicht durch Schüsse auf sie aufmerksam machen. Der Wind trägt das verräterische Schlurfen der furchtbaren Wesen an ihre Ohren – wirres Gemurmel und schlurfende Schritte. Sie dringen aus der Dunkelheit zu ihnen herüber – wahrscheinlich aus dem Hinterhof eines der Nachbarhäuser.
Dieser Frühherbst ist ungewöhnlich kühl für Georgia. Heute Nacht soll das Thermometer bis null Grad und tiefer fallen. Zumindest verkündete das der örtliche Rundfunksender, ehe er sich mit einem lauten Rauschen verabschiedete. Bis jetzt konnten sich Philip und seine Leute per TV , Radio und das Internet über Brians Blackberry auf dem Laufenden halten.
Inmitten des Chaos versicherten sämtliche Nachrichtensender ihrem Publikum, dass alles nach Plan laufe. Die Regierung habe alles unter Kontrolle, und diese oder jene kleine Hürde würde innerhalb weniger Stunden überwunden sein. Auf fest zugeordneten Frequenzen gab der Zivilschutz regelmäßige Warnungen aus: Man solle das Haus nicht verlassen und wenig besiedelte Gegenden meiden. Außerdem solle man die Hände waschen, nur Wasser aus Flaschen trinken und so weiter und so fort.
Natürlich hat niemand auch nur einen blassen Schimmer. Das Schlimmste ist, dass immer mehr Fernseh- und Rundfunksender ausfallen. Zum Glück gibt es an Tankstellen noch Benzin,
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