Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
die Nymphe sich tief in Grogs dichtes Haarkleid kuschelte, doch es kam nichts mehr.
»Eigigu?«, fragte die Prinzessin schließlich.
»Ja, Eigigu. Die Frau im Mond. Die weiß so ziemlich alles, sagt man, weil sie alles beobachten kann.«
»Frau im Mond?« Pirx kicherte. »Davon habe ich noch nie gehört.«
Die Nymphe musterte den kleinen Pixie. »Warst du Knirps denn überhaupt schon mal in Eas?«
»Ah … Eas …« Grogs Ausruf hatte etwas Schwärmerisches.
Hyazinthe sah lächelnd zu dem Grogoch auf. »Wir könnten dort einmal miteinander schwimmen gehen.«
»Schwimmen?« Er schüttelte sich, und ein paar Tröpfchen von Hyazinthes Wasser flogen durch die Luft. »Nein danke. Aber die Strände …« Er seufzte.
Rian runzelte die Stirn. »Ich habe auch niemals von dieser Eigigu gehört. Wer und was ist sie?«
»Eigigu ist eine Menschenfrau von der Insel Nauru«, berichtete Hyazinthe. »Sie kann ziemlich gut mit Magie umgehen. Die haben da unten nie viel von der Trennung der Reiche gehalten, und das hat auch die Menschen verändert. Jedenfalls hat sie es geschafft, schon als Kind in unsere Welt zu wechseln. Dabei konnte Eigigu Enibarara helfen, der Königin von Naora, und später hat sich einer von Enibararas Söhnen in sie verguckt – ausgerechnet der schüchterne Maramen, der lieber im dortigen Mond sitzt, als mit anderen zusammen zu sein. Der jungen Frau war es recht, weil sie sich gerade wegen irgendetwas mit ihrer Mutter überworfen hatte, und so ist sie mit ihm auf den Mond gegangen. War wohl auch eher eine Eigenbrötlerin.«
»Und sie könnte etwas wissen?«
Hyazinthe zuckte die Achseln. »Sie lebt seit Jahrhunderten über Eas, dem Land der Fallenden Wasser, und sieht alles. Wenn jemand etwas über einen Quell der Unsterblichkeit weiß, dann sie. Sie hat ja den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als zuzuschauen. Also für mich wäre das nichts.«
Mit ihren langen Fingern kraulte Hyazinthe Grogs Nacken und sah ihren ehemaligen Gefährten erfreut an. Der alte Kobold neigte sich herunter, und sie tauschten einen weiteren Kuss aus, bei dem sich Pirx’ sämtliche Stacheln aufstellten; seine Nase zuckte.
Rian seufzte und musterte die Umgebung. »Und wie kommen wir jetzt von hier nach Eas?«, murmelte sie.
»Da kann ich euch helfen«, verkündete Hyazinthe mit einem Timbre in der Stimme, das verriet, dass sie gerne noch bei ganz anderen Dingen geholfen hätte. »Melausina teilte es mir mit, weil sie selbst häufiger dorthin geht. Wie gesagt – wenn es kalt wird, begibt sich unsereins gerne auf Verwandtenbesuch in wärmere Gefilde.« Als sie lächelte, zauberte das vergehende Abendlicht glitzernde Tröpfchen auf ihre Zähne. »Familie kann etwas sehr Praktisches sein, auch wenn sie einem manchmal auf die Nerven geht.«
Rian lächelte schief. Über Familienprobleme musste die Nymphe ihr nichts erzählen. »Also müssen wir Melausina aufsuchen? Wo finden wir sie?«
»Im Moment treibt sie sich wohl in einer Quelle herum, die auch mit dem Fluss hier in Verbindung steht. Die Menschen nennen sie Blautopf. Aber ihr müsst da gar nicht hin. Sie hat mir etwas dagelassen für den Fall, dass ich plötzlich wegmuss.« Hyazinthe zögerte kurz, ehe sie ein kleines schillerndes Schneckengehäuse aus ihrem Haar zog und in Grogs Hand drückte. »Geht damit zu einem fallenden Wasser. Ein wenig nördlich gibt es eines, das ist geeignet. Ich würde euch ja durch das Wasser hinbringen, denn auch die Quelle dort mündet am Ende in diesen Fluss, aber ich glaube, mein Groggelchen wäre da nicht so begeistert.« Sie griff an Grogs Ohr und kitzelte es.
»Groggelchen«, wiederholte Pirx kichernd und bekam dafür von dem älteren Kobold einen Klaps auf den Hinterkopf. »Autsch!«
»Wir werden es schon finden, denke ich«, sagte Rian. »Du weißt nicht zufällig, wo hier eine Tankstelle ist? Da können wir vielleicht erfahren, wo wir hinmüssen.«
Die Nymphe bekam große Augen. »Eine … was?«
Rian winkte ab. »Vergiss es. Menschenkram. Aber manchmal recht nützlich.« Ihr Blick folgte der Treppe, die von dem Platz um die Quelle herum nach oben führte, wo sie schon zuvor den Kirchturm gesehen hatte. Mit einem Ruck schob sie ihre Reisetasche wieder auf den Rücken. »Gehen wir einfach ein wenig unter Menschen. Es wird sich schon etwas finden.«
Und es fand sich etwas.
Nahe der Donauquelle befand sich ein Restaurant, in dem Rian für sich und die für Menschen unsichtbaren Kobolde einen großen Salatteller bestellte.
Weitere Kostenlose Bücher