Tief im Herzen: Roman (German Edition)
hatte.
Ach, Unsinn, dachte sie und sprang auf. Sie hatte die
Grenzen ihrer Beziehung akzeptiert, aber daß er ihr mißtraute, das konnte sie nicht tolerieren.
Das fehlte ja noch, daß sie die Schuld übernahm. Energisch begann sie ihr Make-up vor dem Spiegel über dem Kommode aufzufrischen. Eines Tages würde sie bekommen, was sie sich wünschte. Einen starken Mann, der sie liebte, respektierte und ihr vertraute. Sie würde einen Mann haben, für den sie Partnerin sein konnte. Sie würde in einem Haus auf dem Land leben, mit eigenen Kindern, und auch einen Hund haben, wenn sie es wollte. Sie würde all das bekommen.
Eben nur nicht mit Cameron Quinn.
Eigentlich sollte sie ihm danken, daß er ihr die Augen geöffnet hatte, nicht nur für die Schwachstellen in ihrer sogenannten Beziehung, sondern auch für ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Aber dieser Dank würde nie über ihre Lippen kommen. Sie würde eher daran ersticken.
20. Kapitel
Eine Woche konnte sehr lang sein, entdeckte Cam, vor allem wenn einem ein dicker Kloß in der Kehle steckte, den man nicht ausspucken konnte. Der Streit mit Phillip und mit Ethan hatte den Druck etwas abgebaut, doch war das kein vollwertiger Ersatz für eine Auseinandersetzung mit Anna. Außerdem half ihm die Arbeit etwas, die Zeit und Konzentration verlangte. Er konnte es sich nicht leisten, über Anna nachzudenken, wenn er Planken zusammennagelte. Er dachte aber trotzdem an sie und quälte sich mit der Vorstellung, daß sie an einem Strand in der Karibik herumlief – in einem knappen Bikini – und sich von irgendeinem übertrieben muskulösen und gebräunten Typ den Rücken mit Sonnenmilch einreiben ließ. Dann wieder stellte er sich vor, daß sie weggefahren war, um ihre eingebildeten Wunden zu lecken, und nun in einem verdunkelten
Hotelzimmer hockte und ins Taschentuch schniefte. Aber auch diese Vorstellung machte ihn nicht glücklicher.
Als er am Samstag nach einem langen Arbeitstag in der Werkstatt nach Hause kam, hatte er große Lust auf ein oder mehrere Biere. Ethan und er hatten bereits ihre Flaschen geöffnet, als Phillip in die Küche kam.
»Wo ist Seth?«
»Ist drüben bei Danny.« Cam trank aus der Flasche, um die Sägespäne aus seiner Kehle hinunterzuspülen. »Sandy bringt ihn später nach Hause.«
»Gut.« Phillip nahm sich ebenfalls ein Bier. »Setzt euch.«
»Was ist?«
»Ich habe heute morgen einen Brief von der Versicherung erhalten. Im großen und ganzen geht es darum, daß sie Zeit herausschinden wollen. Sie benutzen einen Haufen juristischer Begriffe und zitieren Paragraphen. Tatsache aber ist, daß sie die Todesursache in Zweifel ziehen und deshalb weiter ermitteln wollen.«
»Scheiß drauf. Diese Geizkrägen wollen bloß nicht bezahlen.« Wütend trat Cam gegen einen Stuhl und wünschte von ganzem Herzen, dieser wäre Mackensie.
»Ich habe mit unserem Anwalt gesprochen«, fuhr Phil fort. »Vermutlich wird er mir bald seine Freundschaft entziehen, weil ich ihn andauernd am Wochenende anrufe. Er sagt, wir können zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Wir können abwarten und die Versicherung ihre Ermittlungen durchführen lassen, oder wir können sie wegen Zahlungsverweigerung verklagen.«
»Laß sie ihr Scheißgeld ruhig behalten, ich will es sowieso nicht.«
»Nein.« Ethan kam kaum gegen Cams Ausbruch an. Er blickte nachdenklich in sein Bier und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht richtig. Dad hat Jahr für Jahr die Prämien bezahlt, er hat die Versicherungssumme für Seth noch aufgestockt. Es ist nicht richtig, wenn sie nicht bezahlen, denn dann wird irgendwo schwarz auf weiß festgehalten, daß
er sich umgebracht hat. Das können wir nicht zulassen. Bis jetzt ist der ganze Druck von ihnen ausgegangen«, stellte er fest und hob den Blick, »schlagen wir zurück.«
»Wenn die Sache vor Gericht geht«, sagte Phillip warnend, »könnte es eine Schlammschlacht geben.«
»Also drücken wir uns vor einem Kampf, weil es eine Schlammschlacht geben könnte?« Zum ersten Mal wirkte Ethan belustigt. »Kommt nicht in Frage.«
»Cam?«
»Ich will schon seit einer Weile einen guten Kampf. Das wär’s dann wohl.«
»Dann sind wir uns einig. Die Papiere sind in der nächsten Woche fertig, und dann können wir uns auf sie stürzen.« Phillip hob seine Flasche. »Auf einen guten Kampf.«
»Auf unseren Sieg«, verbesserte Cam.
»Aber der wird uns einiges kosten«, wandte Phillip ein. »Gerichtskosten, Anwaltshonorare. Den größten Teil
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