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Tinnef

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Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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gemacht wurde. Das Urteil stand zwar von vornherein fest, aber der Meier Ferdinand hatte sich durch seine Tat ein paar weitere Monate Lebenszeit erkauft. Bronstein konnte sich noch lebhaft daran erinnern, wie dieser spektakuläre Fall damals durch die Zeitungen gegangen war, wobei sich nicht wenige Schreiber darüber mokiert hatten, dass der Meier Ferdinand seine neuerliche Schandtat ausgerechnet am Tag des 60-jährigen Regierungsjubiläums Seiner Majestät begangen hatte. Ein Grund für eine Begnadigung war das jedenfalls nicht gewesen, lautete damals der spöttische Kommentar des Postenkommandanten.
    Doch wie war er nur auf den Fall Meier gekommen? Jetzt war er schon beinahe so wie sein Adlatus, der Hippolyt Lang. Der erging sich auch andauernd in alten Geschichten. Der Lang! Schon seine ganze Statur prädestinierte ihn zum Komiker. Klein, übergewichtig, mit einer Knollennase und kleinen Schweinsäuglein, dazu noch abstehenden Ohren. Da war man auf die Rolle des Kompaniekasperls geradezu abonniert. Aber den Lang, den vergaß keiner. Wenn man den Namen nur hörte, dann zitierte man sofort irgendeinen seiner Stehsätze. Fiel hingegen der Name Bronstein, dann zeigte sich nachhaltiges Grübeln auf den Gesichtern der Kollegen. Nein, er, Bronstein, hatte noch keinen Eindruck in der Wiener Polizei hinterlassen. Und das würde ihm auch nicht gelingen, solange er seine Zeit mit dämlichen Beschattungen vergeudete. Stalin! Irgend so ein grusinischer Zwerg, von dem nie wieder in der Weltgeschichte irgendjemand auch nur ein Wort vernehmen würde. Was für eine Ressourcenverschwendung, so eine Null zu überwachen! Da konnte man gleich eine eigene Wachstube im Männerheim in der Meldemannstraße einrichten, um dort die täglichen Streitereien um den letzten Rest Fusels zu schlichten. Außerdem bekam man dort weit mehr volksverhetzende Reden zu hören als bei sämtlichen Russen, die es sich in Wien gemütlich eingerichtet hatten.
    Na bitte, dachte sich Bronstein und dämpfte eine Zigarette aus. Zwölf ist es. Zeit für die Mittagspause. Schnaufend erhob er sich und sah zu, dass er in die Kantine kam.
    Als er von dem gedünsteten Rindfleisch mit Erdäpfeln und Kohlgemüse wieder in sein Amtszimmer zurückkehrte, saß Lang schon auf seinem Platz. Klar, er war um zwölf Uhr abgelöst worden und musste nun seinerseits einen Bericht über den Georgier verfassen. Was ihm sichtlich ebenso viel Freude bereitete wie Bronstein. „Hörst, Okomm, hast an Span für mich?“
    Bronstein schüttelte sich innerlich. An dieses dumme „Okomm“, die Abkürzung für Oberkommissär, würde er sich nie gewöhnen. Schon allein deswegen wurde es Zeit, dass er endlich zum Rat befördert wurde. Doch bis dahin würde es noch fast ein Jahr dauern. Und am Verhältnis zu Lang würde sich dadurch auch nichts ändern, er würde Bronstein weiter um Zigaretten angehen. Spannend war dabei höchstens, mit welchem Kürzel er den „Rat“ verstümmeln würde. Bronstein gab seinem Untergebenen eine „Egyptische“ und drehte dann auf dem Absatz wieder um.
    „Weißt was“, sagte er über die Schulter, „ich trink noch schnell einen Kaffee. Mach du derweil deinen Bericht.“
    Als er den Gang entlangging, musste Bronstein über das ganze Gesicht breit grinsen. Während er sich erholte, musste der gute Lang seine Arbeit machen. Und dazu ersparte er sich auch Langs zotige Kommentare. Besser, so fand er, hätte er es nicht treffen können.
    Treffen. Das war das Stichwort. Bronstein verließ das Wachzimmer und überquerte die Straße, um im „Café Treff“ eine Melange zu ordern. Wie selbstverständlich legte ihm der Pikkolo die „Wiener Zeitung“ auf den Tisch, da man hier schon von seinen kleinen Vorlieben wusste. Bronstein wollte sich gerade in die Lektüre versenken, als ihm siedend heiß einfiel, dass sein Triumph bei Lang bislang nur ein halber war. Wie er seinen Mitarbeiter kannte, würde der beinhart nur über seine Schicht schreiben, wodurch für Bronstein rein gar nichts gewonnen war. Instinktiv sah er sich nach einem Telefon um, denn es widerstrebte ihm, das Lokal wegen dieses kleinen Fauxpas noch einmal zu verlassen.
    Bronstein wurde bewusst, dass er vom „Café Treff“ noch nie telefoniert hatte, und daher winkte er den nächsten Marqueur zu sich.
    „Haben S’ a Telefon?“
    „I? Na.“
    „Das Lokal meine ich.“
    „Ah so. Jo. Des scho. I ned.“
    Die Zusatzauskunft, dass der Kellner über kein privates Telefon verfügte, empfand Bronstein als

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