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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Generalstabskurs zug’lassen worden. Weil er irgendwas am Balkan z’sammbracht hat, wos i waaß.“ Die Hausmeisterin kratzte sich gedankenverloren am Kopf. „Na ja, jetzt wird er nix mehr z’sammbringen, der Kurtl.“
    „Der Mann hieß Kurt?“ Bronstein war ehrlich erstaunt. Er hätte mit Lajos, Lászlo oder gar Árpád gerechnet, aber nicht mit Kurt. „Na, i sag Ihnen ja, sei Mutter dürft a Hiesige sein.“
    Bronstein stutzte. Die Kriwanek war sicher an die fünfzig. Wieso duzte sie den Toten? „Und Sie waren per Du mit dem Herrn Mészáros?“
    „Na, natürlich ned. Nur für uns, da war er der Kurtl. Wissen S’ eh, wenn ma über ihn g’redet haben.“
    „G’redet?“ Bronstein ahnte, was die Frau meinte, aber so leicht wollte er es ihr dann doch nicht machen.
    „Schauen S’, Herr Kommissar. Des is da ned des Ritz-Carlton, ned. Da wohnen nur Krewegerln, Krispindln und Krepierln. Was glauben S’, was da für ein Hallo is, wann amoi a echtes Mannsbild da einzieht?“ Auf dem Gesicht der Kriwanek zeigte sich ein seliges Lächeln. „Die Neziba von der Anserstieg’n, die Wejwoda und i, na ja, wir stengan hoit öfter amoi im Hof z’samm’, und da hamma natürlich übern Kurtl, also übern Herrn Leutnant g’redt. In unserm Alter, da derwischt so leicht kan Bel Ami mehr, verstehen S’?“
    „Und wie war er so, der Herr Mészáros?“
    „Stets sehr nett und zuvorkommend. A echter Herr halt. Und so bescheiden! Er hat uns immer Komplimente g’macht, wenn er uns im Hof z’sammenstehen hat sehen. Fesch, fesch, die Damen – oder so etwas. Dabei immer militärisch zackig, wissen S’ eh, aber doch sehr charmant.“
    „Und wie war er so als Partei?“
    „Ruhig. Sehr ruhig. Er hat fast nie Besuch g’habt. Außer hie und da jemand von seinem Regiment. Aber des waren, glaub i, mehr Besprechungen als a normale Abendgestaltung, wissen S’. Der war ned wie die anderen Offiziere, die was Karten spielen, saufen und herumhuren. Na, i glaub, der wollt was erreichen im Leben.“
    Bronstein sah die Kriwanek nur lange schweigend an.
    „Jo, i waaß eh, des klingt a bissl komisch, wenn ma den da so hängen sieht. Aber es muss ihm halt was passiert sein, was ihn aus der Bahn g’worfen hat.“
    Ja, dachte Bronstein, diesen Satz konnte man getrost unterstreichen.
    „Und Sie sagen“, fuhr er dann fort, „der Mann war beim Generalstab?“
    „Na ja, bei diesem Kurs halt, wo man sich für den Generalstab … ich weiß ned, wie man da sagt … qualifiziert halt.“
    Bronstein blies Luft aus. Das machte die Sache komplizierter. Mészáros musste nicht notwendigerweise dem „Korpsbereich 2“ zugehörig sein, der Wien umfasste, was Bronstein immer wieder zu der Frage trieb, weshalb ausgerechnet Krakau die Nummer 1 bekommen hatte. Er konnte als Ungar auch den Korpsbereichen 4, 5 oder 6 angehören, die um die Städte Pressburg, Budapest und Kaschau gruppiert waren. Die Rangabzeichen, die mit ihren zwei goldenen Sternen auf grünem Grund Mészáros als einen Oberleutnant auswiesen, sagten nichts über die Zugehörigkeit zu einer konkreten Truppe aus. Und Oberleutnant musste Mészáros auch gewesen sein, da man sich erst als solcher für den Generalstabskurs melden konnte, wie Bronstein sich dunkel erinnerte. Doch für die mehrjährige Ausbildungsphase war man dem Generalstab nur zugeteilt, man blieb Bestandteil seiner alten Truppe, und erst wenn man den Kurs erfolgreich absolviert hatte, konnte man auf Antrag des Generalstabs zu ebendiesem versetzt werden. Und das war bei Mészáros mit Sicherheit noch nicht der Fall gewesen, sonst hätte er bereits eine andere Uniform getragen. Und die Egalisierungsfarbe vermochte Bronstein auch keinen Aufschluss darüber zu geben, ob Mészáros in der österreichischen oder in der ungarischen Armee gedient hatte, denn diese unterschied zwar, wie er sich erinnerte, zwölf verschiedene Rottöne, doch galten diese jeweils für österreichische wie für ungarische Regimenter.
    Es würde ihm also, seufzte er, nichts anderes übrig bleiben, als beim Generalstab nachzufragen, wohin Mészáros zuständig gewesen war. Bronstein holte seine Taschenuhr hervor und sah, dass es nahe an 15 Uhr ging. Wenn er beim Generalstab noch jemanden erreichen wollte, dann war es zweckmäßig, diesen zu verständigen. Allerdings war er ortsunkundig. Wer vermochte schon zu sagen, welche der hierortigen Stehweinhallen über ein Telefon verfügten. Aber immerhin befand sich gegenüber ein Bahnhof. Und auf einem

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