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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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keine Briefe von ihm an den Redl findet, hat man nichts in der Hand.“
    „Du“, unterbrach ihn Kisch, „bisher ist das aber nix Neues. Und schon gar keine Idee.“
    „Jetzt hör mir halt einmal zu! Ich sage dir, der Weg zu Baumgarten führt über diesen Daimler!“
    „Über das Auto? Wie willst denn das machen? Glaubst du, der ist so dumm und holt sich das jetzt noch ab? Ganz abgesehen davon, dass er es nicht bezahlen wird können. … Nein, lieber David, das kannst vergessen!“ Kisch machte eine wegwerfende Handbewegung.
    „Umgekehrt, Egonek, wird ein Schuh daraus. Man muss ihm das Auto zustellen!“
    „Zustellen?“
    „Ja, verstehst du nicht. Man läutet bei ihm an, winkt mit dem Schlüssel und sagt: Der Herr Oberst hat alles bezahlt und arrangiert, Sie brauchen nur noch einzusteigen. Gierig, wie der ist, wird er anbeißen, und damit gibt er sowohl seine Beziehung zum Redl zu als auch sein Wissen um dessen letzte Briefe, denn sonst müsst er ja sagen: Oh, ein Auto? Für mich? Ja, das gibt’s ja nicht!“
    Kisch ließ den Zeigefinger mehrmals auf seine Lippen treffen. „Du, das könnte funktionieren! Und vielleicht könnte man ihn bei der Gelegenheit sogar dazu bringen, ein Geständnis zu unterschreiben. Man sagt einfach, er müsse dem Empfang quittieren, und zack, schon hat man die Unterschrift.“
    „Kisch, das ist genial. Jetzt brauchen wir nur noch jemanden, der den Boten spielt.“ Dabei fixierte Bronstein sein Gegenüber intensiv.
    „Du denkst doch nicht etwa …“
    „Na, aber klar doch! Du als berühmter Aufdecker, für dich ist diese Geschichte doch ein gefundenes Fressen. Vor allem, wo du sie exklusiv kriegst.“
    „Und warum machst du das nicht selbst?“
    „Erstens, lieber Kisch, weil er mich kennt. Schon vergessen? Und zweitens, weil ich einen Zeugen brauche. Und zwar einen guten! Und wen kann es Besseres geben als dich, lieber Freund?“
    „Alter Schmeichler! Du willst mich ja nur einseifen!“ Kisch machte eine abwehrende Geste, aber sein Lächeln verriet, dass er bereits überzeugt war. Das entging auch Bronstein nicht, der seinen Freund neckisch anstupste.
    „Gut, du alter Fuchs. Wann soll die Sache über die Bühne gehen?“
    „Ich würde sagen, gleich morgen um acht. Da ist der sicher noch halb verschlafen und umso leichter zu überrumpeln. Wir müssen nur noch sicherstellen, dass er nicht wieder Dienst hat, und ach ja, seine Wohnadresse in der Innenstadt müssen wir noch herausfinden. … Das wird schwierig, weil …“
    „Teinfaltstraße 3.“
    „Woher weißt denn das jetzt?“ Bronstein war ehrlich erstaunt.
    „Na hörst, ich hab die Briefe g’sehen, die der Redl an ihn g’schrieben hat. Da werd ich mir doch die Adresse merken. Und Teinfaltstraße 3 ist sogar besonders leicht, weil da die große Buchhandlung der Gebrüder Kohn ist.“
    „Bravissimo! Jetzt ruf ich noch schnell in der Stiftskaserne an, und dann wissen wir, wo wir morgen hinmüssen.“
    Fünf Minuten später saß Bronstein wieder am Tisch. „Alles klar, er hat keinen Dienst. Also wird’s die Teinfaltstraße.“
    „Na dann, Waidmanns Heil!“ Kisch hatte in der Zwischenzeit zwei Slibowitz geordert und forderte Bronstein nun auf, mit ihm anzustoßen. „Auf gutes Gelingen! Darauf, dass du diesen Galgenvogel doch noch drankriegst!“
    Die Gläser klirrten aneinander und waren einen Wimpernschlag später um ihren Inhalt gebracht. Kisch zog seine Taschenuhr hervor und warf einen Blick darauf. „Du, jetzt muss ich aber. Ich hab noch einen Termin im Café Express. Wir treffen uns morgen fünf vor acht beim Burgtheater, genauer beim Bühneneingang. Und dann …“ Kisch machte die bekannte Geste für jemandes Exitus und grinste dabei schief. Bronstein aber nickte nur. „Bis morgen dann. Und Petri Heil.“ Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Kischs „Termin“ aussah. „Alter Schlawiner“, murmelte er, als er den Enteilenden außer Hörweite wusste.
    Für ihn selbst würde der Abend weit weniger freudvoll werden. Von Marie Caroline hatte er seit dem Zerwürfnis am Vortag nichts mehr gehört, und er hielt es auch nicht für zielführend, da jetzt nachzubohren. Doch es war entschieden zu früh, in die eigenen vier Wände zurückzukehren. Zumal allein. Da fiele ihm nur die Decke auf den Kopf. Bronstein ging seine Optionen durch. Er konnte sich irgendwo alleine betrinken. Da bestand die Gefahr, am nächsten Morgen zu verschlafen, und den „dies irae“ durfte er auf keinen Fall versäumen. Er konnte seine

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