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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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Form jenes Kohls, von dem sich einst die Bauern ernährt hatten. Von diesen wuchernden, kolossalen Blattmassen ernährten sich die schwerfälligen Raupen und Maden, bis sie erwachsen waren. Dann woben sie sich in widerstandsfähige Kokons und schliefen den Schlaf der Metamorphose, aus dem sie schließlich erwachten, um ihre Schwingen auszubreiten und sich in die Luft zu erheben.
    Die kleinsten Schmetterlinge der Vergangenheit hatten sich soweit entwickelt, daß man die Spannweite ihrer vielfarbigen Schwingen nur noch in Metern angeben konnte. Was die großen Motten anging, so ähnelten ihre purpurnen Flügel ausgebreiteten Segeln, die noch viel, viel größer waren. Sogar Burl hätte unter den alles überschattenden Schwingen einer solchen Kreatur wie ein Zwerg gewirkt.
    Zum Glück waren diese Geschöpfe, die die größten fliegenden Lebewesen der Welt waren, ziemlich harmlos – oder zumindest meistens harmlos. Hin und wieder stießen Burls Stammesfreunde auf einen Kokon, der sich gerade öffnete. In einem solchen Fall warteten sie geduldig ab, bis der herrlich anzusehende Falter seine wattierte Hülle durchbrach und ins Licht drängte.
    Und dann, noch bevor er richtig zur Besinnung gekommen war und seine Schwingen genügend Kraft entwickelt hatten, um sich auszubreiten, fielen sie über ihn her, rissen ihm die noch feuchten Flügel und Fühler aus und schleppten die saftigen, fleischgefüllten Gliedmaßen davon, um sie auszusaugen, und ließen den noch lebenden Körper des Falters, der aus seinen Facettenaugen hilflos in diese seltsame Welt starrte, hinter sich zurück, bis er zur Beute der gefräßigen Ameisen wurde, die ihn bald zerlegten und in kleinen Teilen in ihre unterirdische Stadt transportierten.
    Aber nicht alle Insekten dieser Welt waren dermaßen hilflos oder unbedrohlich. Burl wußte von Wespen, die beinahe so groß waren wie er selbst und über Stacheln verfügten, deren Stich sich äußerst fatal auswirkte. Allerdings hatte jede Wespenart ein bestimmtes anderes Insekt zur angestammten Beute, deswegen fürchteten die gewitzten Angehörigen von Burls Stamm sie nur wenig, da sie lediglich auf jene Nahrung versessen waren, zu der sie ihr Instinkt hinleitete.
    Die Bienen waren in ähnlicher Weise zurückhaltend. Sie hatten es aber auch wirklich nicht leicht, denn es gab nur noch sehr wenige Blütenpflanzen, und auch diese wiesen nur noch einen Bruchteil der einstigen Größe ihrer Vorfahren auf. Blubbernde Hefepilze und noch abscheulichere Gewächse, hin und wieder die nektarlosen Blüten des fetten Kohls. Burl kannte die Bienen. Sie summten über ihm dahin, waren beinahe so groß wie er selbst und hatten vorstehende Augen, die ihn mit zerstreuter Gleichgültigkeit musterten. Und Grillen, Käfer und Spinnen…
    Burl kannte auch die Spinnen! Sein Großvater war einer jagenden Tarantel zum Opfer gefallen, als sie ihn mit unvorstellbarer Schnelligkeit aus ihrem unterirdischen Bau heraus angesprungen hatte. Eine vertikal verlaufende Höhle mit einem Durchmesser von siebzig Zentimetern und sieben Metern Tiefe. Auf dem Grund dieser Höhle wartete das schwarzbäuchige Ungeheuer auf die leisen Geräusche, die ihm sagten, daß sich seinem Versteck eine Beute näherte.
    Burls Großvater war unvorsichtig gewesen, und die entsetzlichen Schreie, die er ausgestoßen hatte, als das abscheuliche Monstrum wie ein Pfeil aus seinem Loch geschossen war und ihn ergriffen hatte, waren ihm für immer im Gedächtnis haften geblieben. Burl hatte außerdem das Netz einer anderen Spinnenart gesehen und aus sicherer Entfernung beobachtet, wie der mißgestaltete Körper dieses riesigen Geschöpfs eine neunzig Zentimeter lange Heuschrecke, die in ihre Falle geraten war, ausgesaugt hatte.
    Burl hatte sich an die seltsamen gelb-schwarz-silbernen Streifen auf dem Bauch der Spinne erinnert. Das Strampeln des gefangenen Insekts hatte ihn fasziniert. Die Heuschrecke hatte sich hoffnungslos in die nassen, klebrigen Taue verstrickt, die so dick waren wie Burls Finger. Erst als sie sich nicht mehr bewegte, war die Spinne langsam auf sie zugekrochen.
    Burl kannte diese Gefahren. Sie waren ein Bestandteil seines Lebens. Die Tatsache, daß er an sie gewöhnt war und sich schon seine Vorfahren mit ihnen auseinandergesetzt hatten, machte seine Existenz überhaupt erst möglich. Er war klug genug, diesen Gefahren zu entgehen; deswegen überlebte er. Ein Moment der Sorglosigkeit oder eine Sekunde des Vergessens seiner anerzogenen Vorsicht würde

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