Tochter des Drachen
steht links neben dem Onkel, sein Kaishakunin, das lange Schwert gezückt. Er wartet auf etwas, darauf, dass der Onkel etwas tut...
Und dann tut der Onkel es auch. Er reißt sein Ka-zuka frei. Lange, ölige Blutströme brechen aus seinem Bauch. Ich sehe alles. Die Schweißperlen auf seiner Stirn und auf der Oberlippe, das vor Schmerz verzerrte Gesicht. Aber immer noch sagt er nichts. Stattdessen legt er das Kazuka zurück auf den Sambo und nickt. Einmal.
Schnell wie ein Blitz hebt mein Vater das Schwert und schlägt zu. Ein Lichtstrahl peitscht durch die Dunkelheit ... und Onkel Kans Hals. Zwei dunkle Blutfontänen spritzen in hohem Bogen. Der Kopf des Onkels fällt nach vorn, hängt auf der Brust wie bei einer Marionette, deren Fäden man durchtrennt hat. Aber er fällt nicht herab. Mein Vater war ein vollkommener Kaishakunin, hat Fleisch und Knochen so durchtrennt, dass der Kopf des Onkels im wörtlichsten Sinne nur noch an einem Hautlappen hängt. Ein perfektes Daki-kubi.
Und jetzt... schreie ich. Laut. Lange. Verängstigt. Die Männer drehen sich herum. Mein Vater, entsetzt, mit bluttriefendem Schwert, streckt die Hand nach mir aus. Aber ich schreie, weiche vor ihm zurück. »Du hast Onkel Kan umgebracht, du hast Onkel Kan umgebracht!«
Jetzt kommt das Seltsame. Einer der beiden Männer, die neben meinem Vater gestanden haben, mustert mich seltsam, den Kopf zur Seite gelegt wie ein neugieriger Spaniel. Sein von einem schwarzen Visier verdecktes Gesicht ist völlig unsichtbar, und trotzdem fühle ich seinen Blick so heiß wie Laserstrahlen über meinen Leib gleiten. Und dann fragt er meinen Vater: »Ist sie das?«
Drei einfache Worte. Ist. Sie. Das. Fragezeichen. Aber was, zum Teufel, bedeuten sie? Ich habe es damals nicht gewusst. Ich weiß es heute immer noch nicht.
Der Rest ist Erinnerung. Etwas verschwommen, aber real. Meine Eltern redeten in knappen, abgehackten Sätzen, die sie sich stakkatoartig an den Kopf warfen. Mutter war wütend, ihre Haut fiebrig und bleich. Mein Vater nicht. Er war... traurig. Nicht wirklich gebrochen, aber schon resigniert. Er legte Katana und Wakizashi des Onkels auf den Tisch, und dann sagte er etwas zu meiner Mutter, das ich nie vergessen habe: »Kan hat den falschen Herrn gewählt.«
Dann fasste mein Vater nach unten und berührte mein Gesicht. Ich erinnere mich, dass es nass von heißen Tränen war. Ich fühlte seinen rauen, schwieligen Daumen auf meiner Haut und dachte: Er geht weg.
Und das tat er auch. Ich habe meinen Vater erst sieben Jahre später wiedergesehen, nachdem meine Mutter in einem Schweberunfall ums Leben gekommen war. Er war ein Fremder für mich geworden. Wir teilten uns ein Haus. Ich gab nicht einmal vor, ihn zu brauchen. Ich konnte sehr gut alleine für mich sorgen, danke. Wir haben nie wirklich miteinander geredet. Stattdessen haben wir gestritten, haben Worte gespien, die schmerzten wie der schnelle Hieb einer perfekt geschliffenen Klinge. Unsere Beziehung starb an tausend kleinen Schnitten. Dann, zwei Jahre später, kehrte ich das Blatt um und verließ ihn. Mir war gleichgültig, was er tat, wohin er ging. Akira Tormark interessierte mich einfach nicht mehr. Und jetzt ist er fort. Vermutlich ist er tot. Mein Gott, er wäre inzwischen über neunzig Jahre alt. So ist er jetzt wie dieser Traum, ein hautdünner Fetzen Erinnerung, wie die Haut, die den Kopf des Onkels an seinem leblosen Körper hielt. Fast abgetrennt, aber nur fast.
Gut, in Ordnung. Möglicherweise bin ich verrückt. Aber so viel habe ich verstanden: Mein Vater hat die ganze Zeit über die Tugenden der Republik gepriesen, doch als es hart auf hart kam? Da ist er dem Bushido gefolgt, dem Weg des Kriegers - auch wenn er sich mit jeder Faser seines Wesens dagegen gesträubt hat.
Und ich? Teufel, wenn ich das wüsste. Die Republik ist nicht meine Heimat, wirklich nicht. Und der Koordinator ist was? Desinteressiert? Unfähig? Ich weiß es nicht. Ich höre nur Schweigen, und dieses Schweigen erinnert mich an diese eisige, trostlose, furchtbare Kluft zwischen meinen Eltern und an meinen Glauben: Wenn ich mich nur genug anstrengen würde, es ihnen recht zu machen, so würden sie sich wieder versöhnen und wir könnten wieder eine Familie sein.
Halt. Stopp. Jetzt musste ich kurz inne halten, mich umdrehen und diese letzte Passage noch einmal lesen. Was soll das? Bin ich eine rotznäsige Göre, die verlangt: »Nehmt mich zur Kenntnis, hier bin ich, nehmt mich zur Kenntnis«? Mag sein, dass es
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