Tod aus der Zukunft
„Ich komme ja!“
Er nahm seinen Aktenkoffer vom Boden auf und steckte ihn sich unter den Arm. Dann öffnete er die Luftschleuse und verließ das Schiff.
Draußen stand ein einzelner Mann.
„Hallo!“ begrüßte ihn Asher Sutton.
„Willkommen auf der Erde, Sir.“ Das „Sir“ weckte Erinnerungen in Sutton. Unwillkürlich wanderte sein Blick zur Stirn des Mannes hinauf und entdeckte die eintätowierte Seriennummer.
Der Androide starrte ihn an, das nackte Knie, das durch das zerrissene Hosenbein schaute, die bloßen Füße.
„Da, wo ich war, konnte man sich nicht jeden Tag einen neuen Anzug kaufen“, fuhr Sutton fort. „Und rasieren konnte ich mich auch nicht.“
„Ich habe schon öfter Barte gesehen“, beruhigte ihn der Androide.
Sutton blieb schweigend stehen und betrachtete das Panorama vor ihm: die hoch aufragenden, in der Morgensonne schimmernden Türme, das Grün der Parks und Rasenflächen, das dunklere Grün der Bäume, sowie das Blau und Rot der Blumengärten auf den terrassierten Hängen.
Und ganz allmählich kam die Erinnerung zurück, die Erinnerung an das Leben auf der Erde, die frühe Morgensonne, die Sonnenuntergänge, den tiefblauen Himmel, den Tau auf dem Gras, die menschliche Sprache, den Klang menschlicher Musik, die Zutraulichkeit der Vögel und Eichhörnchen, den Frieden und den Komfort.
„Der Wagen wartet, Sir“, mahnte der Androide. „Ich werde Sie zu einem Menschen bringen.“
„Ich möchte lieber zu Fuß gehen“, sagte Sutton.
Der Androide schüttelte den Kopf. „Der Mensch wartet bereits auf Sie. Er ist sehr ungeduldig.“
„Na schön“, lenkte Sutton ein.
Der Sitz war weich. Behaglich ließ er sich zurücksinken und hielt den Aktenkoffer auf dem Schoß.
Beim Fahren sah er fasziniert zum Fenster hinaus. Wie grün die Erde doch war!
Weit im Norden ragten die Zwillingstürme des Justizministeriums, Abteilung Fremdvölker, auf. Im Osten glänzte in Plastik und Glas die University of North America. Und andere Gebäude, die Meilen auseinander lagen, getrennt von Parks und Wohnanlagen. Die Wohnhäuser, von Büschen und Bäumen umstanden, lagen verteilt an den grün wogenden Hängen. Überall verrieten Farbtupfer, daß dort Menschen wohnten.
Der Wagen hielt vor dem Verwaltungsgebäude, der Androide öffnete die Tür.
„Hier entlang, Sir“, sagte er höflich.
In der Halle waren nur wenige Stühle besetzt, und diese zumeist von Menschen. Menschen oder Androiden, dachte Sutton. Den Unterschied erkannte man nur, wenn man die Stirn sehen konnte.
Das Mal auf der Stirn, das Zeichen der Fabrikation. Das Stigma, das der Welt verriet: „Dieser Mann ist kein Mensch, obgleich er genauso aussieht.“
Das sind diejenigen, die mich anhören werden. Das sind diejenigen, die mich vor der Feindseligkeit schützen werden, die der Mensch gegen mich vielleicht empfindet.
Denn diese haben es schwerer als die Enterbten. Sie sind keine Gestrigen, sondern Nie-Gewesene. Sie wurden nicht von einer Mutter geboren, sondern von einer Retorte. Androiden – künstliche Menschen. Menschlich in jeder Hinsicht, bis auf das Zeichen auf der Stirn und die Unfähigkeit, sich fortzupflanzen.
Künstliche Menschen, die da sind, den echten Menschen beim Tragen der schweren Bürde des galaktischen Reiches zu helfen, die dünne Schicht der Menschheit ein wenig zu stärken. Die aber immer an ihren Platz verwiesen werden.
Der Korridor war leer. Mit klatschenden, nackten Füßen folgte Sutton dem Androiden.
Auf der Tür, vor der sie stehenblieben, stand: „Thomas H. Davis, (Mensch), Operationsleiter.“
„Da sind wir“, sagte der Androide.
Sutton trat ein; der Mann hinter dem Schreibtisch hob den Kopf und schluckte.
„Doch, wirklich, ich bin ein Mensch“, erklärte Sutton. „Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin’s.“
Mit dem Daumen deutete der Mann auf einen Stuhl. „Nehmen Sie Platz“, sagte er.
Sutton setzte sich.
„Warum haben Sie unsere Signale nicht beantwortet?“ fragte Davis.
„Mein Apparat war kaputt“, antwortete Sutton.
„Ihr Schiff trägt keine Kennzeichnung.“
„Die hat der Regen abgewaschen.“
„Von Regen geht die Farbe nicht ’runter.“
„Es war auch kein irdischer Regen“, erklärte Sutton.
„Ihre Motoren?“ erkundigte sich Davis. „Wir haben kein Geräusch gehört.“
„Sie funktionieren nicht“, sagte Sutton.
Davis’ Adamsapfel hüpfte. „Sie funktionierten nicht? Wie haben Sie dann navigiert?“
„Mit Energie“, sagte
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt