Tod im Palazzo
Wachtmeister, hinter seiner Sonnenbrille finster zur Tür hinausblickend, nur ein mehrfach gemurmeltes »Nein, nein, ganz und gar nicht« von sich gab.
Die beiden uniformierten Männer überquerten die Straße und klingelten am Palazzo Ulderighi, während Gino, der Besitzer des Restaurants, ihnen noch hinterherstarrte. Er war überzeugt, daß es bei ihm die größten Pizzas von ganz Florenz gab. Und der Wachtmeister hatte zwei gegessen!
»Ich hoffe, es geht Ihnen besser.«
DerPortierwarfeinenmißtrauischenBlickaufden Wachtmeister. Er hatte die Tür nur einen winzigen Spalt geöffnet.
»Es geht.«
»Dürften wir dann bitte eintreten, wir wollen Sie kurz sprechen. Ist Ihre Frau da?«
»Sie hat sich gerade hingelegt. Die Sache hat sie sehr mitgenommen. Ihre Nerven sind nicht die besten.«
Er ließ sie eintreten, bot ihnen aber keinen Stuhl an und blieb selber auch stehen. Das Zimmer war klein und muffig und vollgestopft mit einer Mischung aus alten und modernen Möbeln. Es diente offensichtlich als Küche und Wohnzimmer. Es roch stark nach gebratenen Zwiebeln und Fleisch, und auf einer Gasflamme stand ein großer Topf mit Wasser, das gerade zu kochen begann. In einer Ecke stand eine neu aussehende Waschmaschine, über die ein gefranstes Tuch ausgebreitet war, und darauf stand eine Vase mit Plastikblumen. Die großen Augen des Wachtmeisters registrierten jedes Detail, und sein scharfes Ohr vernahm ein leises Rascheln im Nebenzimmer.
»Ihre Frau scheint wach zu sein.«
Der Portier warf einen zögernden Blick zur Innentür.
»Irgendwann werden wir mit ihr sprechen müssen. Wir bringen es am besten gleich hinter uns, dann brauchen wir Sie hoffentlich nicht mehr zu stören.«
Der Portier ging ins Nachbarzimmer und schloß die Tür hinter sich. Eine leise Debatte war zu hören, und erst nach einer Weile kamen die beiden heraus.
»Guten Abend, Signora. Tut mir leid, daß wir Sie stören müssen, aber es wird nicht lange dauern.«
Das Gesicht der Frau war noch immer gerötet, und in der Hand hielt sie ein zusammengeknülltes Taschentuch. Sie sah den Wachtmeister nicht an und erwiderte auch seinen Gruß nicht. Sie setzte sich an einen Resopaltisch und starrte ihren Mann vorwurfsvoll an.
Der Wachtmeister fuhr fort. »Ihr Arbeitgeber, Sie haben ihn sehr gemocht, was?«
Aber sie antwortete nicht.
»Sie ist ziemlich fertig mit den Nerven«, wiederholte der Portier.
Er bot ihnen noch immer keinen Stuhl an. Irgendwas war hier faul. Der Wachtmeister wußte aus Erfahrung, daß ein Paar wie die beiden, die den ganzen Tag gelangweilt herumsaßen und wahrscheinlich schlecht bezahlt wurden, sich nur allzu gern mit einer Flasche Vinsanto und vier Gläsern zu ihnen an den Tisch setzen und über ihre Arbeitgeber herziehen würde. Es war die Chance ihres Lebens, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen und sich all ihre angestaute Unzufriedenheit von der Seele reden zu können. Statt dessen wollten sie, daß der Wachtmeister und Lorenzini verschwanden, und zwar rasch. Doch konnte es ihnen eigentlich egal sein, ob Corsi durch einen Unfall oder durch seine eigene Hand gestorben war.
Das Gesicht des Wachtmeisters war leer, ausdruckslos, während er sich mit aufmunternder Stimme an die Frau wandte.
»Wir müssen Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
Er fragte wenig und erfuhr noch weniger. Sie hatten Corsi zuletzt am Abend zuvor gesehen, als er mit der Marchesa zu einem Dinner ging. Sie hatten den beiden aufgemacht, als sie zurückkamen, aber nicht hinausgesehen. Sie hatten den Lift hochfahren hören. Einen Schuß hatten sie nicht gehört.
»Um wieviel Uhr sind sie zurückgekommen?«
Sie sahen sich an und zögerten. Die Frau öffnete den Mund, doch der Mann kam ihr rasch zuvor: »Ziemlich spät. Ich bin so gegen eins ins Bett gegangen und hatte schon geschlafen. Ich weiß nicht, wie lange, aber der Junge war noch nicht zurück, also war es noch nicht vier Uhr. Soviel kann ich sagen.«
»Der Junge?«
»Unser Sohn, Leo. Er ist Türsteher in einem Club. Gegen vier Uhr machen sie zu, und auf dem Heimweg frühstückt er, es ist halb fünf, Viertel vor fünf, wenn er hier ankommt.«
»Und davon werden Sie wach, ja?«
Er verkniff sich ein »aber nicht von einem Schuß«, hätte es aber genauso gut sagen können, denn der Portier war sofort in der Defensive.
»Na klar. Er muß durch das Zimmer kommen. Wir schlafen hier, dort.«
Er deutete auf eine Couch. »Man kann ein Doppelbett daraus machen.«
»Und Ihr Sohn hat das
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