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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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einmal notwendig, den Blick abzuwenden, und daß sie mit der Nachricht gerechnet hatte, davon war er so überzeugt, als hätte sie es ihm gestanden. Auf ihren nächsten Zug war er aber völlig unvorbereitet. Sie spielte nicht einmal die Betroffene oder etwas in der Art. Mit harten, eiskalten Augen, die seinem Blick nicht auswichen, gab sie zu verstehen, daß sie das Heft in der Hand hatte und er selbst völlig überflüssig war. Dann wandte sie den Kopf etwas zur Seite und rief: »Gianpiero!«
    Einer der elegant gekleideten Männer am anderen Ende des Raumes löste sich von den anderen beiden und kam näher.
    »Was geht hier vor?«
    Er registrierte die Uniform des Wachtmeisters und wandte sich dann an die Marchesa, nahm ihren Arm. »Hat es einen Unfall gegeben? Du siehst bedrückt aus.«
    »Es ist Buongianni. Ein Unfall, ja. Das ist Wachtmeister…«
    »Guarnaccia.«
    »Verzeihen Sie. Lieber Gianpiero, gottlob bist du da, ich glaube, wir müssen hinuntergehen und uns die Sache ansehen. Glaubst du…«
    Sie warf einen Blick auf die beiden anderen grauhaarigen Männer.
    »Sie werden uns natürlich begleiten.«
    Dann wandte er sich brüsk und in befehlsgewohnter Manier an den Wachtmeister. »Was für ein Unfall und wo?«
    Der Wachtmeister ärgerte sich. Eigentlich sollte er hier den Ton angeben, jedenfalls im Moment, aber er hätte genausogut zum Personal gehören können.
    »Vielleicht war es ein Unfall, vielleicht auch nicht. Das wird noch zu untersuchen sein. Er liegt im Jagdzimmer im Erdgeschoß.«
    »Tot? Na los, Menschenskind, sagen Sie schon, tot oder verwundet? Wir könnten wertvolle Zeit verlieren.«
    »Tot.«
    Für wen hielt dieser Kerl sich eigentlich?
    »Aha. Du hast es ihnen schon gesagt?«
    Diese Frage galt der Marchesa, die mit den beiden Männern zurückkam. »Dann gehen wir jetzt hinunter.«
    Sie fuhren mit dem Aufzug hinunter, aber erst, nachdem der Marchesa eingefallen war, die drei Herren vorzustellen. Der »liebe Gianpiero« war, wie sich zeigte, der Oberstaatsanwalt von Florenz. Die anderen beiden waren namenlos bleibende »Anwälte des Hauses«. Schweigend fuhr man hinunter. Der Wachtmeister, noch immer den Schirm seiner Uniformmütze festhaltend, hörte seinen Herzschlag, und seine unbedachte Äußerung: Vielleicht war es ein Unfall, vielleicht auch nicht. Das wird noch zu untersuchen sein, ging ihm durch den Kopf. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein! Seine einzige Hoffnung lag darin, daß man ihn als viel zu unwichtig ansehen würde. Er mußte nur den Mund halten, bis er ein für allemal aus diesem Haus verschwinden konnte. Sie würden irgendeinen taktvollen, respektvollen hohen Beamten finden… Wegen dieser einen Bemerkung konnte man ihn kaum versetzen… Er war nicht wichtig, das war die Hauptsache, das stand fest… Dennoch hatte ihn im Aufzug, im Jagdzimmer mit dem Toten, um den jetzt ein paar Fliegen schwirrten, und neben der Anspannung und Besorgnis, die er aus Angst um seine Stellung empfand, ein Gedanke nicht losgelassen. Der »liebe Gianpiero« war ein enger Freund, das war offensichtlich, und dennoch hatte die Marchesa seine Anwesenheit als willkommen bezeichnet.
    »Ermittlungsbericht, was?« fragte Lorenzini kauend. Der übliche Bericht bei einem plötzlichen Todesfall schien für ihn kein Anlaß zu sein, Hilfe anzubieten. Jedenfalls ließ er sich seine Pizza, munden.
    »Schmeckt prima.«
    »Mm.«
    Es war nicht klar, ob das eine Antwort auf seine Frage oder ein Lob für die Pizza war. Der Wachtmeister schien keinen großen Appetit zu haben. Immer wieder hörte er auf zu kauen und starrte statt dessen in die Ferne, als beschäftigte er sich mit anderen Dingen. Er hatte den jungen Unteroffizier aus der Wache kommen lassen, weil er seine Hilfe brauchte, aber mehr noch, weil er Lorenzinis Anwesenheit als beruhigend empfand. So früh am Abend saßen nur wenige Gäste bei Gino's, der Pizzeria gegenüber dem Palazzo Ulderighi. Die meisten schienen Freunde und Verwandte der Besitzer zu sein; rauchend und Kaffee trinkend saßen sie vor dem Fernseher, wo ein Lokalsender gerade eine Aufzeichnung des mittelalterlichen Fußballturniers brachte.
    »Wenn«, fuhr Lorenzini mit lauter Stimme fort, da die Fernsehzuschauer einen weiteren heftigen Zusammenstoß auf dem Spielfeld mit wütenden Protestrufen kommentierten, »wenn er sich tatsächlich umgebracht hat, wird die Versicherung nicht zahlen, stimmt's?«
    »Ja.«
    Der Wachtmeister stopfte sich ein knuspriges Stück Pizza in den Mund und sagte:

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