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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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war fast bei dem Fenster, so nah, dass ich hätte dagegenspucken können, da gab das Rohr nach. Es brummte und löste sich von der Wand, wurde dann aber von den Ziegeln gebremst. Ich rutschte aus und strampelte, und ich sagte Sachen, an die ich mich nicht erinnere.
    »Du fällst nicht. Du fällst nicht.«
    Ich klammerte mich an der Stelle, wo das Rohr nachgegeben hatte, fest, als ginge es um mein Leben. Ich konnte von dort über den Platz bis zu den Lichtern auf dem Hügel und in der anderen Richtung bis zu den Lichtern des Broadways hinüberschauen, bis zur Beleuchtung vom Dog’n Suds. Der Wind da oben fühlte sich an, als würde er sich freuen, mich zu sehen.
    »Du bist doch keine Statue – weiter!«
    Zu den Hoffnungen, die ich in mir trug, zählte ein fast vergessener Gedanke; ich wollte in einer Blechdose begraben werden. Der Arzt sollte mich in Stücke schreddern, so klein wie Samenkörner, und mich in eine alte Blechdose füllen, an der noch der scharfkantige Deckel hing, und die Dose sollte hoch an einen Baum genagelt werden, damit die Vögel mich aus der Dose fraßen und dann losflatterten und um die ganze Erde flogen und all denen auf den Kopf schissen, die noch da unten lebten. Das war die Beerdigung, die ich mir manchmal für mich vorstellte, und wie ich da an dem Rohr hing, fiel es mir wieder ein. Ich wollte, dass die Dose dort in der Höhe hing, wo ich mich jetzt festklammerte.
    »Ich werd schlapp.«
    »Du wirst was?«
    »Müde.«
    »Aber doch nicht in deinem Alter, niemals. In deinem Alter solltest du nicht müde sein.«
    »Meine Arme zittern.«
    »Rein da mit dir, an die Arbeit!«
    »He, Shuggie«, rief Basil, »du erinnerst dich doch noch an
Die kleine Lokomotive
, oder? Lesen die das immer noch in der Schule? Die kleine Lokomotive und der steile Berg oder so? Tutut! Tutut!«
    Meine Zehen fanden wohl wieder einen Vorsprung. Meine Arme zitterten und zogen, zitterten und zogen. Ich kam ans Fensterbrett und streckte den Fuß danach aus. Das Fensterbrett war so breit, dass man darauf stehen konnte, und das tat ich auch. Mein Hintern klebte am Glas, und ich stand da, knotete den Bezug auf und nahm den Meißel heraus.
    Unten am Boden alberten Red und Basil herum, schlugen Fäuste in die Luft und all so was, und einmal trat Red unter eine Straßenlaterne, und ich sah, wie er mit seinen Stiefeln, die weiße Flügel von der Spitze bis ans Schienbein hatten, in die Luft trat. Die Stiefelflügel sollten Adlerschwingen sein. Seine Tritte flogen schnell wie Augenzwinkern.
    Dann standen Basil und er still da und flüsterten sich eine Liste von all dem vor, was ich vielleicht für sie klauen würde.
    »Barbies.«
    »Footballs.«
    »Dextro.«
    »Nembutal.«
    »’ne schöne .38er.«
    »Brompton-Cocktail.«
    »Tuinal.«
    Das Holz des Fensters hatte schon viel mitgemacht, Sonne und Eis, Schnee und Regen, Jahr um Jahr. Der Rahmen wackelte nicht, auch nicht an den Scharnieren, also setzte ich den Meißel an einem Scharnier an, schlug mit der Hand auf den Kopf des Griffs, dann noch mal bei dem anderen Scharnier, und brach sie aus dem Rahmen. Eine Glasscheibe löste sich, ohne zu zerbrechen, und ich fing sie auf und legte sie beiseite.
    »He, ich hab’s geschafft! Schaut nur, ich hab’s geschafft!«
    »Halt’s Maul! Wenn du wieder draußen bist, dann hast du es geschafft, kapiert? Dann kannst du loskrähen.«
    Drinnen stieß ich nach dem ersten Schritt gegen einen Schreibtisch, tastete darauf herum, erfühlte mit der flachen Hand eine Lampe. Ich suchte mit den Händen am Lampenhals nach einem Knopf, fand aber keinen, also suchte ich am Fuß, fand den Knopf und drückte drauf. Das Licht reichte völlig aus.
    Mit dem Meißel machte ich alles auf, Schubladen, Aktenschränke, Schreibtische. Was immer ich für Pillen oder für eine Flasche Medizin hielt oder für eine Schachtel, in der beides hätte sein können, stopfte ich in den Kissenbezug. Ich füllte ihn, bis er richtig schwer war. Als ich ans Fenster ging und die verbogene Regenrinne hinuntersah, sagte eine Stimme in meinem Kopf immer und immer wieder: nein, nein, nein, nein.

IM AUTO SAGTE RED : »Du solltest nicht einfach die Treppe runterspazieren und die verdammte Haustür aufbrechen. Das hab ich dir nicht gesagt, verdammt.«
    Basil fuhr. Das Auto kannte ich nicht, eine weiße Corvair, die sich anhörte wie ein Staubsauger. Er grinste und pfiff und klopfte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Aber der Bursche hat ganz schön viel Scheiß abgegriffen. Und jede

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