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Aschebraut (German Edition)

Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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PROLOG
    »Du bist ein attraktiver Mann«, sagte RJ. »Die Frauen stehen auf dich.«
    Er saß in seinem Lieferwagen vor dem Studio – dem Studio – und sprach mit seinem Bild im Rückspiegel. Eigentlich kam es RJ ziemlich idiotisch vor, dass er sich selbst zu seinem Aussehen gratulierte – vor allem, weil er bisher alles andere als ein Frauenschwarm gewesen war. Aber, ohne Witz, er glaubte einfach an die Kraft der positiven Selbstbestätigung. Mitte der Achtziger hatte er Louise Hay gelesen. Er besaß noch seine Originalausgabe von Gesundheit für Körper und Seele . Zwar hatte ihn Louise seither schon ziemlich oft im Stich gelassen, aber weshalb sollte er jetzt an ihr zweifeln? Schließlich käme heute all die positive Energie, die er dem Universum je geschickt hatte, zu ihm zurück.
    Er hatte morgens seine Ausrüstung gepackt, die Nachricht für seine Mutter ausgedruckt und sich in seinem neuen Outfit – einem schwarzen T-Shirt, einer etwas abgewetzten braunen Lederjacke, schlabberigen Jeans, der Baseballkappe von den Los Angeles Dodgers, auf die er im Internet gestoßen war, und den leuchtend blauen Nikes, die er sich am Vorabend bei Foot Lockers geleistet hatte – vor dem Spiegel auf der Innenseite seiner Schranktür aufgebaut. Er hatte sich eingehend gemustert und sein Aussehen mit dem Bild verglichen, das er am Computer ausgedruckt hatte und das direkt neben dem Spiegel hing: einem Bild von Spielberg in genau derselben Aufmachung wie jetzt er selbst. Dann hatte er die Tasche auf dem Boden neben seiner Zimmertür beäugt und war innerlich erschaudert, weil sie eine Canon EOS 5D Mark II enthielt. Für diese Kamera hatte er mehr bezahlt, als seine Kreditkarte erlaubte (was er als durchaus beunruhigend empfand), aber wie hätte Louise bestimmt gesagt? Man braucht das beste Werkzeug, wenn man eine Bestleistung erzielen will.
    Also hatte RJ all seine Ängste und Zweifel verdrängt, heilendes Licht geatmet und zum allerersten Mal in seinen fünfundvierzig Lebensjahren die für ihn wichtigste positive Selbstbestätigung nicht nur gedanklich, sondern laut und deutlich formuliert: »Ich bin Regisseur.«
    Gott, er fühlte sich phantastisch. Denn er hatte nicht nur eine tolle Kamera, sondern auch einen Studio termin mit einer wunderschönen Frau. Genau das wollte er. Er hatte nie etwas anderes gewollt. Die Bilder würden einschlagen wie eine Bombe, er würde berühmt und reich, und im Handumdrehen bekämen seine Gläubiger ihr Geld von ihm zurück. Dann wäre er den Stress der Schulden los. Und hätte den Kopf frei für seine Kunst.
    Er hatte schon ein gutes Dutzend Drehbücher im Kopf – einen Thriller über einen blinden Cop mit telekinetischen Fähigkeiten; die anrührende Geschichte eines gescheiterten Zauberers und eines Hunds, der ihm das Leben rettete; einen im London der vierziger Jahre spielenden Erotikfilm … und so weiter und so fort. All diese Geschichten hatten jahrelang in seinem Hirn herumgespukt und nur darauf gewartet, dass die ganze Welt sie sah – und jetzt bot sich ihm endlich die Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass das auch geschah. Das Projekt, das ihm den Durchbruch bringen würde, näherte sich seinem Abschluss. Es wäre der Anfang seines Neuanfangs.
    RJ öffnete die Hintertür des Vans. Er brauchte nicht jetzt schon alle Sachen auszuladen. Denn das könnten später seine Leute für ihn tun. Die Canon aber würde er aus zwei Gründen gleich mitnehmen: Erstens wollte er sie bei sich haben, wenn er all die anderen traf, und zweitens könnte sie gestohlen werden, wenn er sie unbewacht in seinem Van zurückließ.
    Es hatte sich herausgestellt, dass das Studio in einer ziemlich miesen Gegend von Mount Temple lag – und das wollte etwas heißen. RJ war gebürtiger New Yorker und hatte im Laufe seines Lebens miterleben können, wie selbst die verschlafensten und rückständigsten Kaffs im Westchester County reich und schön geworden waren. Aber irgendwie hatte Mount Temple diesen Trend verpasst. In den Neunzigern, zur Zeit der Immobilienblase, ignoriert und jetzt, während der aktuellen Rezession, geschmäht, erschien ihm Mount Temple wie der ärmliche Verwandte – der glücklose alte Onkel – von Orten wie Scarsdale, Bronxville oder Tarry Ridge. In gewisser Hinsicht war Mount Temple wie RJ – oder zumindest wie der Mann, der er bisher gewesen war –, deshalb war es durchaus passend, dass das Studio hier, unweit der Ecke Columbus / 102., in einem verlassen wirkenden Gebäude

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