Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
ausruhen musste, dazu hatte ihr Arzt sie eindringlich angehalten.
Ihr Gepäck befand sich immer noch in Siglufjörður.
Dort würde sie übernachten.
28 . Kapitel
Tómas war auf dem Weg nach Siglufjörður, nach Hause, wo gellende, allumfassende Leere herrschte. Vielleicht würde er noch bei der Wache vorbeifahren, obwohl es schon sehr spät war. Dort fühlte er sich wohler. Manchmal übernachtete er dort. Außerdem musste er herausfinden, warum Hlynur nicht ans Telefon gegangen war. Hatte er blaugemacht? Tómas hatte langsam wirklich die Schnauze voll von seinem Verhalten.
Doch am liebsten wäre er umgedreht und geradewegs nach Reykjavík gefahren. Hätte seine Frau besucht, ihre warme Umarmung gespürt. Sein geliebter Ort, Siglufjörður, konnte zwar warm sein, aber er umarmte ihn nie.
Das Handy klingelte. Tómas zuckte zusammen und ging ran.
»Hallo Tómas«, sagte eine leise, merkwürdig zögerliche Stimme. »Hier ist Móna.«
»Móna? Alles in Ordnung? Warum rufst du so spät an?«, fragte er verwundert und hatte ein seltsames Gefühl.
»Der …« Sie zögerte. »Der … Logi, mein Schwager, hat mich gebeten, dich anzurufen. Er muss dich treffen. Schnellstmöglich.«
Mónas Stimme war anzuhören, dass etwas nicht stimmte.
»Heute Abend?«
»Am besten ja«, sagte sie leise.
»Was ist eigentlich los?« Tómas wurde langsam ungeduldig, wollte es sich aber nicht anmerken lassen.
»Am besten redet ihr gleich miteinander. Er …« Sie zögerte erneut. »Er will ein Geständnis machen.« Tómas konnte deutlich hören, dass sie den Tränen nahe war.
»Ein Geständnis?«, rief er entsetzt.
»Ja, er will den Mord gestehen.«
»Hat er Elías umgebracht?«
»Ja …« Eine lange Pause. »In Notwehr. Sie sind wegen, äh, wegen dieser Menschenhandelsgeschichte, in die Elías verwickelt war, aneinandergeraten … Logi wollte ein Mädchen aus Nepal retten, das Elías nach Island gebracht hatte.«
»Ach du Scheiße!«, platzte Tómas heraus.
Er schwieg einen Moment, war einfach sprachlos.
Dann murmelte er vor sich hin: »Ach du Scheiße.«
Als Móna das Telefon nach dem Gespräch mit Tómas weglegte, waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt.
Logi hatte darauf bestanden, die Schuld auf sich zu nehmen. Er wollte seinen Bruder und dessen Familie, dessen Frau und ungeborenes Kind, retten. Móna und Jökull versuchten zu protestieren, aber Logi ließ sich nicht davon abbringen. »Niemand muss erfahren, dass Jökull dabei war. Außerdem habe ich Elías mit dem Brett erschlagen«, sagte er und fügte fast flüsternd hinzu: »Verdammtes Pech, ausgerechnet ein Brett mit Nagel zu erwischen.«
Logi fand Mónas Idee – ursprünglich Ísrúns Idee –, den Grund für den Mord zu vertuschen, gut. Móna hatte den Männern nichts von dem Besuch der Journalistin erzählt.
»Ich komme schon klar«, hatte Logi gesagt, ohne seine Furcht ganz verbergen zu können, »ihr konzentriert euch jetzt voll und ganz auf die Geburt und auf das Kind. Das Geheimnis über die Vaterschaft nimmt Onkel Logi mit ins Grab.«
29 . Kapitel
Südisland,
ein Jahr vor dem Leichenfund
Erst gab ich der Hitze im Haus die Schuld daran, und sie machte die Sache auch bestimmt nicht besser.
Es war wirklich nicht meine Art, in fremder Leute Häusern in Ohnmacht zu fallen. Etwas überkam mich plötzlich, ich war völlig kraftlos.
»Stimmt was nicht, meine Liebe? Du bist ja ganz blass! Möchtest du dich hinlegen?« Die Alte zeigte auf das kleine, verschlissene Sofa.
Ich stolperte zum Sofa und legte mich eine Weile hin, um mich wieder zu fangen.
In der letzten Zeit hatte ich mich zwar nicht topfit gefühlt und war ungewöhnlich schlapp gewesen, mir aber eingeredet, ich hätte einfach zu viel gearbeitet.
Da sagte sie es. Manchmal würde ich mir wünschen, sie hätte nichts gesagt und ich könnte länger in dem Glauben leben, es sei alles in Ordnung.
»So hat es bei deiner Großmutter auch angefangen«, sagte die alte Frau in Gedanken, sah mich dabei noch nicht einmal an. »Das verfluchte Rauchen.«
»Was meinst du?«, fragte ich, während ich auf dem Sofa lag, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich war ein bisschen ungehalten, bereute es jedoch sofort.
»Sie fiel in Ohnmacht, einfach so. Daraufhin ging sie zum Arzt, die Arme, und die verflixte Krankheit kam heraus.«
Ich versuchte mich aufzusetzen. Mein Herz raste. Das war ein unangenehmes Thema. Ich kam auf die fixe Idee, ich sei vielleicht auch krank, wie meine Großmutter. Ein
Weitere Kostenlose Bücher