Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
mit gedrückter Stimme.
»Kannten Sie Elías gut?«
»Nein, fast gar nicht«, murmelte sie.
»Wohnte er nicht eine Zeitlang bei Ihnen?«
Sie zögerte. »Doch, oben bei Logi. Er hatte da ein Zimmer gemietet. Ist zum Jahreswechsel ausgezogen. Er hat sich nicht oft blicken lassen.«
»Wahrscheinlich hat er viel Zeit mit dieser Wohltätigkeitsorganisation verbracht«, meinte Ísrún beiläufig.
Móna schnaubte. Es war klar, warum. Sie glaubte nicht, dass Elías ein großer Menschenfreund gewesen war. Sie trank einen Schluck Milch und blätterte in der Zeitung, wie zum Zeichen, dass sie nicht weiter über Elías reden wollte.
Móna wirkte immer noch bedrückt, als sei der Sommer noch nicht in ihr Haus vorgedrungen, wobei es draußen auch noch nicht sehr sommerlich aussah. Wenn man aus dem Küchenfenster schaute, hätte es trotz der Wärme ebenso gut Herbst sein können.
»Es ist bestimmt nicht leicht, jemanden zu kennen, der ermordet wurde«, sagte Ísrún, denn sie wollte immer noch nicht gehen.
»Ja«, nuschelte Móna. »Das ist nicht leicht.«
»Unheimlich.«
Móna schaute auf. »Ja, sehr«. Sie entspannte sich ein wenig. »Sehr unheimlich«, sagte sie halb zu sich selbst.
»Ich fände das auch unangenehm«, sagte Ísrún. »Noch vor kurzem hat er hier bei Ihnen gewohnt, und jetzt … jetzt hatte jemand einen Grund, ihn zu töten. Unverständlich. Aber das ist nicht gerade ein erbauliches Thema für eine schwangere Frau«, ergänzte sie und schämte sich ein wenig, was nicht allzu oft vorkam.
Móna lächelte halbherzig. »Man reißt sich zusammen, versucht nicht darüber nachzudenken und die Bilder zu verdrängen, die auf einen einströmen, wenn man von so einem schrecklichen Mord hört.«
»Ja, angesichts der Meldungen muss man wirklich sagen, dass es ein schreckliches Verbrechen war. Und ich schenke den Nachrichten ziemlich großen Glauben, zumindest denen, die von meiner Redaktion kommen!« Ísrún lächelte.
Móna erschauerte, versuchte jedoch, sich zusammenzureißen. Dann gähnte sie.
»Entschuldigen Sie, ich bin ein bisschen müde.«
»Solche Meldungen halten einen bestimmt nachts wach … vor allem in Ihrem Zustand«, sagte Ísrún mitfühlend.
»Ja, ich habe seit zwei Nächten nicht mehr geschlafen. Eigentlich wollte ich mich heute hinlegen.«
Ísrún hatte verstanden. Schließlich wollte sie einer Schwangeren nicht die Ruhe verwehren.
»Ich mache mich dann mal auf und komme einfach später noch mal vorbei.«
»Nein, so war das doch nicht gemeint. Ich rufe Logi an.« Móna stand mit Mühe auf und ging ins Wohnzimmer. Ísrún hörte sie telefonieren.
»Er arbeitet noch und kommt erst in einer guten Stunde, ich hoffe, das macht nichts«, sagte Móna, als sie wieder in die Küche kam.
»Keine Sorge, das klappt schon, ich schaue später noch mal vorbei.«
»Und was ist mit dem Kameramann, ist der nicht auf dem Weg?«, fragte sie misstrauisch.
Ísrún stutzte. Sie musste ihre kleinen Lügengeschichten besser unter Kontrolle halten. »Ach ja, natürlich. Ich rufe ihn einfach an«, sagte sie beiläufig und ging in den Flur. »Vielen Dank für das Gespräch.«
12 . Kapitel
»Was ist mit Jói?«, fragte Ari, der mit Tómas in der Kaffeestube saß. Unter normalen Umständen wäre Hlynur dazugekommen, aber der war immer noch in seiner eigenen Welt versunken und beachtete seine Kollegen gar nicht.
Tómas hatte Ari gefragt, ob er eine brauchbare Theorie zu dem Mord hätte, die sie bei dem Meeting am Abend präsentieren könnten.
»Jói? Na hör mal, Meister, der kann doch keiner Fliege was zuleide tun«, entgegnete Tómas empört.
»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe ihn ja heute getroffen und finde, dass er etwas Irres an sich hat, etwas Leidenschaftliches und Verbissenes. Der lässt sich bestimmt nichts gefallen.«
»Die beiden kannten sich doch kaum«, meinte Tómas skeptisch.
»Sie hatten wohl eine Auseinandersetzung bei dieser Demonstration gegen den Tunnelbau. Und man kann nie wissen, wozu so was führt.«
»Ach, davon wusste ich ja gar nichts.« Tómas hob die Augenbrauen. »Man kann sich nie sicher sein. Da denkt man, man kennt die Leute, und dann …«
Ari fiel ihm ins Wort, bevor er anfangen konnte, über seine Frau zu sprechen. »Ich glaube nicht, dass Elías von einem Kollegen ermordet wurde. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass einer von denen ein Motiv hatte, wobei … vielleicht am ehesten im Zusammenhang mit diesen dubiosen Geschäften. Aber ich bezweifle,
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