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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Prolog
    Die ›alte Wirtschaft‹ hat ausgedient –
    es lebe die ›New Economy‹!

     
    Die Börsen werden weltweit von Internetfirmen erobert. Gigantische Wertentwicklungen von über 2000 Prozent sind zu verzeichnen. Eine Euphorie breitet sich aus, die von Gier und der fixen Idee getrieben ist, es würde endlos so weitergehen.

     
    Am 10. März 2000 erreicht der Nasdaq seinen Höchststand; der Nemax zieht mit. Doch nur einen Tag später platzt die Dotcom-Blase und die Kurse stürzen ins Bodenlose.

     
    *

     
    Auch die Kunden der kleinen Filialbank in Risum-Lindholm hatten sich von der Hochstimmung an den Börsen mitreißen lassen, und Arne Lorenzen hatte sie gern bedient. Brachte doch jede ausgeführte Aktienorder fette Provisionen.

     
    Zwar hatte er sich so manches Mal gewundert, wie Menschen, die vor jedem Staubsaugerkauf Rat bei der Stiftung Warentest einholten, plötzlich mehrere 1.000 Mark in Aktientitel von Firmen investierten, deren Namen sie kaum aussprechen konnten, geschweige denn, dass sie überhaupt eine Ahnung davon hatten, was für Unternehmen sich hinter Namen wie Adva Optical, Qualcomm oder MorphoSys verbargen.
    Aber das war für seine Kunden kein Problem gewesen. Angesteckt von der allgemeinen Euphorie hatten sie ihm, ihrem Bankberater, vertraut.
    Er musste zugeben, seine Ratschläge waren nicht immer nur kundenorientiert gewesen. Letztendlich hatte das aber niemanden wirklich gestört. Bis … ja, bis die künstliche Spekulationsblase – derart aufgebläht – platzte und eine Horrorschlagzeile der anderen folgte.
    Arne Lorenzen faltete die Zeitung zusammen, in der auch heute wieder beinahe nur Beiträge über die Misere an den Börsen und die horrenden Verluste der Anleger zu finden waren. Verbraucherschützer diskutierten, ob die Kunden von den Banken ausreichend aufgeklärt worden waren oder ob eine Sammelklage gegen verschiedene Institute angestrebt werden sollte.
    Er legte kopfschüttelnd das Nachrichtenblatt zur Seite und warf einen kurzen Blick durch das schmale Sprossenfenster. Besser warm anziehen, dachte er sich.
    Arne Lorenzen stand auf, griff nach seinem Mantel, der neben ihm auf der Eckbank lag, und verließ die behagliche Gaststube der kleinen Inselpension.

1. Kapitel
    »Hasso, aus!« Jens Bendixen versuchte erfolglos, das lautstarke Gebell seines Schäferhundes zu unterbinden.
    Es war früh am Morgen, die Luft frostig klar. Am Himmel kämpfte sich die Sonne durch die eiskalte Sphäre und tauchte die Welt in ein diffuses Licht.
    Er liebte diese Zeit des Tages ganz besonders. Wenn alles um ihn herum erst langsam erwachte und die Stille der Gegenwart lediglich durch die Schreie der Möwen oder das Rauschen des Meeres durchbrochen wurde, genoss er die Einsamkeit des Augenblicks und nutzte diese friedlichen Momente, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
    Gestern Abend war es zwischen ihm und seiner Frau wieder einmal zu einem heftigen Streit gekommen. Auslöser war irgendeine Belanglosigkeit, über die sie sich geärgert hatte; das Gespräch war daraufhin eskaliert.
    Er sei viel zu egoistisch, immer nur auf sich bedacht, hatte sie ihn angeschrien, nachdem sie sich durch das Aufzählen seiner sämtlichen schlechten Eigenschaften in Rage geredet hatte.
    Er fragte sich, ob sie mit ihren Anschuldigungen recht hatte. Handelte er wirklich so selbstsüchtig und rücksichtslos, wie sie behauptete?
    Aber wenn dem so war, warum fiel es ihr scheinbar erst in den letzten Wochen und Tagen auf? Sie hatten doch sonst nie Probleme miteinander gehabt. Hatte er sich wirklich derart verändert? In seiner Art, seinem Wesen, generell in seinem gesamten Verhalten? Er überlegte, ob er einen Wandel an sich selbst in der letzten Zeit ausmachen konnte, aber das aufgeregte Gebell seines Hundes störte immer wieder seine Gedanken.
    »Hasso, jetzt hör endlich auf!«
    Mit energischen Schritten stapfte er auf den Rüden zu, der an der Abbruchkante stand und unbeirrt weiter Richtung Watt kläffte. Vermutlich hat er wieder eine tote Möwe oder etwas Ähnliches entdeckt, dachte Jens Bendixen, als er neben den Hund trat und hinab auf den Meeresboden sah, der aufgrund des ablaufenden Wassers deutlich zu erkennen war.
    Die reliefartige Oberfläche, geprägt durch die Wellenbewegungen und durchzogen von Rinnsalen, war nur noch an wenigen Stellen von dem nassen Element bedeckt. Vereinzelte dünne Sonnenstrahlen wurden reflektiert und schossen wie blendende kleine Blitze über das Watt. Bendixen legte seine

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