Tödliches Lachen
verließ das Büro etwa eine Stunde früher als gewöhnlich, weil es nichts mehr zu tun gab und er ohnehin eine Menge Überstunden abzufeiern hatte, fuhr nach Hause, stellte sich unter die Dusche und zog sich etwas Frisches an. Nie behielt er das an, was er im Büro getragen hatte. Es war ein Ritual, das er durchführte, nicht erst seit er in Frankfurt lebte, sondern auch schon früher, wenn er von der Schule nach Hause kam. Duschen, sich umziehen und lesen oder spazieren gehen oder etwas anderes tun, etwas Vernünftiges. Nicht wie die anderen sich vor den Fernseher setzen und sich berieseln lassen; das war nicht sein Ding, für ihn war es wichtig, sein Leben sinnvoll zu gestalten. Alles musste seine Ordnung haben, alles musste geregelt sein, so hatte er es schon früh für sich beschlossen.
Er dachte über das kurze Gespräch nach, das er mit seiner Freundin - denn als solche betrachtete er sie - geführt und in dem sie ihm zum wiederholten Mal zu verstehen gegeben hatte, dass es zwischen ihnen aus war, obwohl er im Sommer noch einmal Hoffnung geschöpft hatte. Doch auch diese Hoffnung war wie eine Seifenblase zerplatzt. Er schaute in den Spiegel und fand, dass sie zumindest in einem Punkt recht hatte - er sah gut aus, wenigstens war das ein subjektiver Eindruck, aber wenn auch sie das sagte, würde es wohl stimmen. Obgleich, sie konnte es auch nur gesagt haben, um ihn zu beruhigen und ihm nicht alle Illusionen zu rauben. Nein, er wusste es nicht.
Er steckte sein Handy in die rechte Innentasche seiner Jacke, weil er gelesen hatte, dass man ein Mobiltelefon wegen der Strahlung möglichst nicht am Herzen tragen sollte.
Eine knappe Stunde war vorüber, als er wieder ging. Im Auto legte er eine CD von The Corrs ein, der Lieblingsgruppe von Mausi, wie er sie für sich nannte, und fuhr kaum zwanzig Minuten, bis er in der Windthorststraße seinen Wagen parkte. Er stellte die Musik aus, rutschte in seinem Sitz ein wenig hinunter und beobachtete das Haus, in dem sie wohnte.
Mehr als eine Stunde verging, bis sie ihren erst wenige Tage alten silbernen 3er BMW, von dem er sich fragte, woher sie das Geld für dieses teure Auto hatte, in einer Seitenstraße direkt neben der ehemaligen US-Kaserne abstellte und sich mit zügigen Schritten auf das erst vor wenigen Jahren frisch renovierte Haus zu bewegte. Sie bemerkte ihn nicht, so wie er überhaupt von niemandem bemerkt wurde, zumindest hatte er den Eindruck. Doch das hatte wohl damit zu tun, dass es kalt und dunkel war und sich kaum Menschen auf der Straße aufhielten. Er sah, wie das Licht in ihrer Wohnung im ersten Stock anging, und kurz darauf konnte er ihren Schatten einem Scherenschnitt gleich hinter dem Vorhang ausmachen. Mike hätte gerne gewusst, was sie jetzt’ tat. Er griff nach seinem Telefon, hielt es einen Moment in der Hand und legte es auf den Beifahrersitz. Er würde sie nicht anrufen, diese Blöße wollte er sich nicht geben. Er wollte nur wissen, ob da ein anderer Mann in ihrem Leben war oder ob sie tatsächlich nur ihre Freiheit genießen wollte.
Erst fielen nur ein paar Regentropfen auf die Windschutzscheibe, schließlich immer mehr. Er schaltete die Zündung und die Scheibenwischer ein. Zwei Jungs rannten wie aus dem Nichts aufgetaucht an ihm vorbei. Hinter den meisten Fenstern brannte Licht. Nach weiteren anderthalb Stunden, er wollte bereits wieder losfahren, sah er, wie ein ihm sehr gut bekannter und mit allen Schikanen ausgestatteter VW Phaeton W12, von denen nicht viele auf Deutschlands Straßen unterwegs waren, vor dem Haus hielt. Ihm stockte der Atem, sein Mund wurde trocken, sein Herzschlag beschleunigte sich, als der Fahrer ausstieg und auf den Eingang zulief. Ein Druck auf die Klingel, die Tür ging auf. Nach fünf Minuten kamen sie heraus, Hand in Hand, als wären sie seit Ewigkeiten zusammen. Er hatte sein Fenster heruntergelassen, um vielleicht ein paar Wortfetzen mitzubekommen, doch alles, was er hörte, war ihr Lachen, das von dem kalten Nordwind zu ihm getragen wurde. Als würde sie ihn auslachen, spöttisch, höhnisch, zynisch. Dabei wusste sie nicht einmal, dass er nur wenige Meter von ihr entfernt war und etwas sah, dass er nie für möglich gehalten hätte. Am liebsten wäre er aus dem Auto gesprungen, um beide zur Rede zu stellen. Nein, viel lieber noch hätte er seine Fäuste in ihre Gesichter gehämmert, bis beide nur noch wimmernd und um Gnade winselnd vor ihm gelegen hätten. Er unterließ es, nicht wegen ihr, sondern wegen ihm,
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