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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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nur dann anfassen, wenn ich selbst es will – und ich will nicht. Ich erschaffe nämlich nicht nur Sie, sondern auch alles, was Sie sehen. Ich habe mich entschieden, ein Schatten an der Wand zu sein, aber genauso gut könnte ich alles Mögliche sein. Als Schöpfer bin ich allmächtig.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Ariel.«
    »Wie bitte?«
    »Ariel. Erinnern Sie sich an Shakespeares Sturm ?«
    »Sicher.«
    »Mein Name schreibt sich genauso wie der im Sturm . Es war schön, Sie kennenzulernen, Graf. Damit endet unsere erste Begegnung. Ich bin Ihnen heute erschienen, um Ihnen etwas zu sagen: Beruhigen Sie sich und verhalten Sie sich so, als wäre alles in Ordnung und als wären Sie sich Ihrer selbst und Ihrer Umgebung sicher.«
    »Ich bin mir aber meiner selbst nicht sicher«, erwiderte T. flüsternd. »Im Gegenteil. Ich weiß nichts mehr über mich.«
    »In Ihrer Situation ist das ganz normal. Zu niemandem ein Wort, und alles kommt wieder in Ordnung.«
    »Ich weiß nicht, wohin ich unterwegs bin und warum.«
    »Sie wissen es schon«, ließ sich Ariel vernehmen. »Das hat man Ihnen doch erklärt – Sie sind unterwegs nach Optina Pustyn. Also gehen Sie wieder an Deck und setzen Sie Ihre Reise fort.«
    T. kam es vor, als höre er die letzten Worte schon von ganz weit weg. Der durchsichtige Schatten an der Wand war verschwunden und gleich darauf erlosch die Lampe. Eine Zeit lang saß T. im Dunkeln und versuchte nicht einmal, klar zu denken. Dann vernahm er Saitenklänge. Er stand auf, tastete nach der Tür, öffnete sie und trat entschlossen in den Streifen Sonnenlicht.

III
    Über das Deck bewegte sich eine seltsame Prozession auf ihn zu.
    Vorneweg stolzierte ein bartloser junger Mann, angetan mit einer Tunika aus grobem Tuch, wie sie auch die Ruderer trugen. In seinem Haar glänzte ein goldener Kranz, seine Hände hielten eine Lyra, deren Saiten er mit dem Eifer des erfahrenen Balalaikaspielers zupfte, wobei er das Gesicht in Falten legte und laut etwas vor sich hinmurmelte. Ihm folgte eine füllige Dame in einer mehrlagigen Tunika aus leichtem, halbtransparentem Stoff. Hinter der Dame gingen zwei Männer mit Federwedeln, die sie gleichmäßig und rhythmisch betätigten: Wenn der eine den Wedel über den Kopf der Dame neigte, hob der andere seinen Wedel an und umgekehrt.
    Als sie T. sah, blieb die Dame stehen. Sie musterte seine muskulöse Figur, das nasse Hemd und die eng anliegenden Steghosen und fragte:
    »Wer sind Sie, gnädiger Herr?«
    »T.«, erwiderte T. »Graf T.«
    Die Dame lächelte ungläubig.
    »Es ist also nicht nur die äußerliche Ähnlichkeit«, sagte sie. »Welche Ehre für eine arme Provinzlerin! Graf T. höchstselbst … Ich bin die Fürstin Tarakanowa, 5 zu Ihren Diensten. Aber wem verdanke ich das Vergnügen, Sie zu sehen, Euer Erlaucht? Wieder irgendein verrücktes Abenteuer, über das dann alle Zeitungen der Hauptstadt schreiben und alle Salons reden?«
    »Sehen Sie, Fürstin, ich war im Zug unterwegs, aber dann habe ich den Anschluss verpasst und bin von der Brücke in den Fluss gefallen. Wenn nicht Ihr Schiff aufgetaucht wäre, wäre ich bestimmt ertrunken.«
    Die Fürstin Tarakanowa fing an zu lachen und rollte dabei kokett ihre Augen.
    »Ertrunken? Gestatten Sie, dass ich Ihnen nicht glaube. Wenn auch nur ein Bruchteil der Geschichten, die man über Sie erzählt, wahr ist, dann sind Sie imstande, den Fluss unter Wasser zu durchqueren. Aber Ihre Kleider sind ganz nass! Haben Sie Hunger?«
    »Offen gestanden, ja.«
    »Luzius«, sagte die Fürstin zu einem der beiden Männer mit den Federwedeln, »zeig dem Grafen das Gästezimmer. Sobald er etwas Trockenes angezogen hat, führe ihn zu Tisch.«
    Sie wandte sich wieder T. zu.
    »Heute gibt es eine Spezialität unserer Familie, Brochet tarakanoff – Hecht Tarakanow.«
    »Eigentlich halte ich mich an vegetarische Kost«, sagte T. »Aber um Ihrer Gesellschaft willen …«
    »Welchen Wein trinken Sie?«
    »Der Schriftsteller Maxim Gorki«, bemerkte T. lächelnd, »erwiderte auf diese Frage für gewöhnlich ›Brotwein‹ 6 . Dafür wurde er zwar in slawophilen Kreisen überaus geschätzt, aber in den teuren Restaurants ganz und gar nicht … Ich jedenfalls ziehe Wasser oder Tee vor.«
    Eine Viertelstunde später betrat T. in einem Morgenrock aus roter Seide und frisch gekämmt das Speisezimmer.
    Das Speisezimmer war geräumig und mit Kopien antiker Skulpturen und mit altertümlichen Bronzewaffen an den Wänden geschmückt. Um den exquisit gedeckten

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