Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
Vom Netzwerk:
Zeugenaussagen mal als Schwäbisch, mal als Badenserisch bezeichnete Mundart sprach. Woher sie genau gekommen war, war nicht auszumachen.
    Was aber wollte dieses Mädchen auf Arndts ostdeutschem Hof? Wer hatte sie geschickt? War das wirklich eine Agentin, wie Friedrichs vermutete? Geschickt von der Staatssicherheit, um Arndt den Hof für die Zwangskollektivierung abzuluchsen?
    Mehrere Wochen lang war Rosemarie Huth in Selchow aufgefallen, wegen ihrer teuren Kleidung, ihres extravaganten Stils und wegen der Vehemenz, mit der sie um die Gunst von Bauer Jan Frido Arndt buhlte. Die Leute redeten, lästerten. Dann der Mord, aber nicht Arndts Hof war der Tatort, sondern ein etwas abgelegener Weiher, in dem das Mädchen ertränkt worden war. Die Volkspolizei ermittelte zunächst sehr anständig, sprach mit Zeugen und Anwohnern, und alles deutete auf eine Affekttat hin. Es gab Kampfspuren, aber keine Anzeichen einer Vergewaltigung. Einige Male war ein Mercedes mit Westberliner Kennzeichen gesehen worden. Auch wurden Fingerabdrücke gesichert, aber nie verwertet. An mehreren Stellen dann waren die Unterlagen geschwärzt worden und lückenhaft. Der leitende Volkspolizeibeamte hatte gewechselt, ab dann wurde ausschließlich in Arndts Richtung weiterermittelt – ohne Erfolg. Denn bis auf den Fundort der Leiche gab es nichts Belastendes gegen ihn, obwohl drei Jahre lang und offensichtlich auf Anordnung von oben verzweifelt danach gesucht worden war. Ansonsten fanden sich keinerlei Namen von weiteren Verdächtigen in der Akte …
    Hünerbein lehnte sich zurück und trank nachdenklich von seinem Kaffee. Ein Mädchen aus vornehmster Wannseelage sucht eine Affäre mit einem ostdeutschen Bauern, der sich der Zwangskollektivierung verweigert und allgemein als widerspenstiger Nestbeschmutzer gilt. War so etwas möglich? Und wem gehörte der mysteriöse Mercedes mit dem Westberliner Kennzeichen? – Werner von Lahn?
    Was war da abgelaufen?
    Oder war der Westmercedes nur ein Trick der Stasi, um vom tatsächlichen Tathergang abzulenken? Gab es vielleicht eine Verbindung zu im Westen operierenden Stasileuten? Es war ja kein Geheimnis, dass die ostdeutschen Geheimdienste viel erfolgreicher die Gegenseite unterwanderten als es zum Beispiel der Bundesnachrichtendienst im Osten vermochte. Günter Guillaume war bis in Brandts Kanzleramt vorgedrungen, und in Berlin hatte der Fall Kathryn und Heinrich Burger Furore gemacht. Ein Agentenehepaar, das es bis in die Spitze der Landes- SPD geschafft hatte und nur deshalb aufflog, weil die eifersüchtige Kathryn ihren Gatten verriet, ohne zu bedenken, dass sie selbst für die andere Seite arbeitete. Am Ende wurde Heinrich Burger über die Glienicker Brücke ausgewechselt, während seine Exfrau ihre lange Freiheitsstrafe bis zum Ende im Moabiter Frauengefängnis absitzen musste. Enttäuschte Liebe kann ein wahrer Fallstrick sein, nicht nur im Milieu der Schlapphüte.
    Aber wie verhielt es sich im Fall Rosemarie Huth? Ein fetter Westköder für einen Ostbauern? Und steckte Werner von Lahn dahinter? Aber wenn die Spur des Mörders wirklich nach Westberlin führte, warum war dann die Ermittlung durch übergeordnete Stellen in der DDR so nachhaltig behindert worden?
    »Mhm«, machte Hünerbein nachdenklich. Die Akte könnte ein Schloss sein, hatte Friedrichs gesagt. Und wir suchen den Schlüssel dafür. War der hier im Westen zu finden? Am Wannsee? Womöglich im Hause von Lahn? Könnte der Tod des Westberliner Politikers eine Folge später Rache für den Mord an Rosemarie Huth gewesen sein?
    Ich werde es überprüfen müssen, dachte Hünerbein und sah auf die Uhr. Zuvor aber musste er diesen Meyer von der DOMIZIL aufsuchen. Der hatte den Toten immerhin als Letzter lebend getroffen, und solche Leute waren für die Ermittler grundsätzlich besonders interessant.
    36    MONIKA STAND NEBEN Siggi vor dem Stadtplan an der Wand in dessen Büro. Noch steckten die drei roten Stecknadeln am Helmholtzplatz.
    »Die werden wir wohl abschreiben müssen.«
    »Nicht unbedingt«, widersprach Siggi, »nicht, wenn wir die Verträge mit den Hausbesetzern haben. Ich werde Bentzsch noch mal Druck machen.«
    »Ich verstehe das nicht.« Monika sah ihn mit großen Augen an. »Wie willst du noch an die Häuser kommen, wenn die Besetzungen erst legalisiert sind?«
    »Über den Eberswalder Sozialfonds«, erklärte Siggi.
    Das war eine Erfindung von Rudi Bentzsch. Zusammen mit einem alten Oberstleutnant der NVA hatten sie ein

Weitere Kostenlose Bücher