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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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der Tiefgarage kam.
    »Harry?« Die Seitenscheibe ging automatisch runter. »Das ist ja eine Überraschung!«
    Hünerbein brauchte einen Moment, bis er in der Fahrerin Monika erkannte. Er war ihr nur einmal kurz von Dieter vorgestellt worden, ein weiteres Mal war man zusammen essen gewesen. Zudem hätte er Dieters alte Jugendliebe aus dem Osten nie in so einem flotten BMW vermutet. Und gekleidet war sie wie eine Bankerin.
    »Das kann man wohl sagen«, brachte er schließlich hervor. »Was machst du denn in Berlin?«
    »Arbeiten«, lächelte sie, »in Görlitz gab es nichts mehr zu tun für mich. Da wird alles abgewickelt.«
    »Na, so was.« Hünerbein lächelte zurück und kratzte sich verlegen an der Wange. »Hat mir Dieter gar nicht erzählt.«
    »Ist ja auch noch ganz frisch.« Sie sah ihn prüfend an. »Und was machst du hier?«
    »Auch arbeiten.« Hünerbein grinste. »Ich wollte zu ‘ner Zeugenbefragung. Aber der scheint nicht da zu sein.«
    »Das ist Pech«, sagte Monika.
    »Das ist in unserem Beruf die Regel«, erwiderte Hünerbein.
    »Verstehe.« Sie winkte ihm zu. »Man sieht sich. Ciao!«
    »Warte mal, Monika!« Hünerbein hielt sich am Türgriff fest, da sie schon anfuhr, und lief ein paar Schritte mit. »Hast du Dieter getroffen?«
    Monika stoppte wieder und nickte. »Gestern Abend.« Sie strich sich eine lange Haarsträhne aus der Stirn. »Wieso?«
    »Der ist seitdem nicht mehr erreichbar.« Hünerbein sah sie fragend an. »Du weißt nicht zufällig, wo er steckt?«
    »Nein.« Monika lächelte. »Vielleicht hat er ‘ne Freundin.«
    »Das wäre auch mal was Neues«, murmelte Hünerbein. »Wenn du ihn triffst – er soll mich …« Er machte die typische Handbewegung, die einen Telefonhörer anzeigen soll, und trat vom Wagen zurück.
    »Alles klar«, Monika winkte ihm zu und fuhr davon.
    Hünerbein sah ihr perplex nach.
    Junge, Junge, die hat sich gemausert, dachte er und wandte sich ab.
    Den Jaguar, der kurz darauf mit Siggi aus der Tiefgarageneinfahrt gefahren kam, bemerkte Hünerbein nicht, und so verpasste er seinen Zeugen.
    37    AUF DEM HELMHOLTZPLATZ kamen immer mehr Rollheimer zusammen: junge Leute, die in ausrangierten Unimogs und bunt bemalten Bau- und Zirkuswagen wohnten, in alten Wohnmobilen und umgebauten Bussen. Sie wurden zu einer Wagenburg zusammengestellt, zu einem Solidaritätscamp für die »Autonome Republik Helmholtzplatz«. Überall flatterten Fahnen mit dem schwarzroten fünfzackigen Anarchostern, Plakate und Transparente forderten »Freiheit für Menschen statt fürs Kapital«, ein »Recht auf Chaos« und »Dope für alle!«. In der Mitte des Platzes stand eine kleine Bühne, an der eifrig gezimmert und gebastelt wurde, aus Lautsprechern schallte der alte Ton-Steine-Scherben-Hit »Keine Macht für niemand« über den Platz.
    Kriminalrat Egon Beylich stand neben einem Kollegen von der Baupolizei und dem Brandermittler der Feuerwehr im Schutt der abgebrannten Besetzerruine.
    Er musste sich selbst ein Bild machen, denn irgendetwas, da war er sicher, war übersehen worden, irgendein wichtiges Detail. Ein Jugendlicher war zu Tode gekommen, und er wollte nicht mehr Beylich heißen, wenn er diesen Fall nicht aufklären konnte. Allein schon, um es diesen arroganten Besserwessis zu zeigen, diesem Knoop und seinem fetten Kompagnon – Wie in der Werbung, nicht überall wo Nougatcreme draufsteht, ist auch Nutella drin – so ein selbstgerechter Angeber!
    Aber so war der Westen: Hauptsache, ein cooler Spruch, egal, wie ehrverletzend der sein mochte. Man konnte von den Brandermittlern der Berliner Feuerwehr halten, was man wollte, von Ausbildung und technischem Know-how her waren sie absolutes Weltniveau. Als im August 1988 Lissabons Altstadt niederbrannte, waren es Feuerwehrleute aus der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik gewesen, die die Ursache dafür ausmachten. Gute Männer – mit solchen Genossen wäre die DDR nie untergegangen. Die meisterten ihre unlösbar scheinenden Aufgaben so gut es ging, allein wenn man bedachte, dass die Suche nach der Brandursache oft reiner Kaffeesatzleserei glich.
    Auch hier gab es nichts, woran man sich orientieren konnte. Im Prinzip standen vom Haus Helmholtzplatz sechzehn nur noch Wände mit leeren Fensterhöhlen, das Treppenhaus war in sich zusammengebrochen, ebenso Teile der Decken und Böden – ein gigantischer Schutthaufen, aus dem ein paar verkohlte Balken und Brandmauern ragten. Dennoch war den Ermittlern der Feuerwehr die Panne

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