Tortenschlacht
schickte?«
Es hat keinen Sinn, denke ich, denn ich begreife nichts von dem, was der Kerl sagt.
»Also bin ick noch mal los. Mit der Karre, weil mein Plymouth ist momentan nicht so recht nutzbar, vastehste? Ick komme uff ‘n Hüttenweg – da is da allet voll mit Bullen. Spurensicherung und so, ein Riesenbohei! Ick also wieda weg und denke, na ja fährste abends noch mal hin. Wenn allet dunkel is und die Bullen weg. Ick hab mein Portemonnaie jerade gefunden, da tauchst plötzlich du auf! Mit Taschenlampe latschste direktemang uff mich zu.« Heini Boelter hebt schuldbewusst die Schultern. »Da hab ick die Panik jekriegt und zujeschlagen. Mit meine jute Maglite.« Er zeigt sie mir. Eine schöne, schwarz glänzende Stabtaschenlampe, circa dreißig Zentimeter lang.
»Und dann fällste um«, sagt Heini Boelter und steckt die Lampe wieder weg, »und aus deiner Jacke rutscht so ‘n Ausweis. Ick kieke und denke, meine Fresse, ‘n Hauptkommissar vonne Kripo – det jibt jetzt wirklich Ärger. Det mögen die Bullen jarnich, wenn einer von ihren Kollegen druffjeht. Und deshalb war’s mir echt wichtig, dass du mir nich von der Schippe hüpfst, vastehste?«
»Klar«, nicke ich schlapp, »besser ist’s.«
»Noch ‘n Tee?«
»Gern …«
»Jetzt is natürlich die Frage«, Heini Boelter setzt mir wieder die Tasse an die Lippen, »wie wir nu weiter verfahren. Ick bin keen Mörder, ehrlich! Det is allet die Schuld vom Borsalinohut …«
»Bitte, von wem?«, erkundige ich mich.
»So ‘n Agent«, seufzt Heini, »Jeheimdienst, Mossad oder KGB . Ick bin den nich anders losjeworden. Der hat mich bedroht und so. Det war reinste Notwehr, weeßte?« Er stellt die Teetasse beiseite. »Ick werde dir im Laufe des Tages noch meine Sicht der Dinge verklickern …« Er macht ein trauriges Gesicht. »Und du musst mir versprechen, dass ick nich in ‘n Knast muss! Ick bin nämlich ein echt freiheitsliebender Mensch, det wirste schon noch merken …«
Ich komme nicht mehr dazu, denn plötzlich fliegt die Tür auf, und die Hölle bricht los. Blendgranaten krachen in den Raum, alles wird grell, weißlicher Rauch vernebelt die Sicht, und ich höre martialisches Geschrei.
»Alles auf den Boden! Keine Bewegung! Das Haus ist umstellt! Widerstand zwecklos!«
Von wegen Himmel, denke ich, wie konnte ich nur so naiv sein? Schwarze Gestalten wirbeln um mich herum, Höllenbrüder, Satane, schwer bewaffnete Teufel.
Natürlich habe ich gesündigt in meinem viel zu kurzen Leben, zu viel geraucht, zu viel gesoffen und grundsätzlich unehelich gevögelt. Das rächt sich jetzt.
Immerhin trifft man in der Hölle ein paar alte Bekannte wieder. Hünerbein zum Beispiel: Der fette Sack ist auch im finsteren Hades gelandet. Mit ängstlicher Miene starrt er mich an.
»Um Gotteswillen, Sardsch«, brüllt er gellend: »EINEN ARZT! WIR BRAUCHEN DRINGEND EINEN NOTARZT!«
43 DAS GEBÄUDE DES Berliner Tagesspiegel befindet sich in der Potsdamer Straße gegenüber dem Quartier Latin nahe dem Kulturforum am Tiergarten. Schon am Empfang wurde Monika von Andreas Quastenkötter, einem kleinen, quirligen Mann empfangen, der sehr beschäftigt wirkte und nervös an einer Zigarette zog.
»Frau Droyßig? Drolliger Name, tut aber nichts zur Sache, nehme ich an.« Er führte sie fast hüpfend zu den Liften. »Kommen Sie! Wir gehen in mein Büro, da sind wir ungestört, wenn Sie verstehen, was ich meine …«
Andreas Quastenkötter residierte in einem hellen, total chaotisch anmutenden Raum. Zwei Faxgeräte spuckten unablässig bedrucktes Papier heraus, der ganze Boden war schon voll davon. Überall lagen Aktenstapel herum, die Wände waren voll mit Notizzetteln, Ankündigungen, gerichtlichen Bescheiden und amtlichen Mitteilungen, zwei Computer surrten betriebsbereit, ein Fernseher lief, die Telefone klingelten um die Wette.
»Verzeihen Sie die Unordnung, aber die drohende Einheit wirft ihre Schatten voraus, verstehnse, nich wahr«, murmelte er entschuldigend und schob ein paar Papierstapel von einem der Stühle, damit Monika sich setzen konnte. »Nur der Unintelligente hält Ordnung, das Genie überblickt das Chaos.« Quastenkötter lachte, nahm einen der läutenden Hörer ab, murmelte etwas von »nicht gestört werden« und legte wieder auf. Seltsamerweise verstummte auch das andere Telefon.
»Setzen Sie sich doch!« Er lehnte am Schreibtisch, sog hastig an seiner Kippe und sah Monika erwartungsvoll an. »Haben Sie schon mal journalistisch
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