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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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Schlinge zu nehmen. Ein verzweifelter Kampf! Fünfzehn Minuten lang! Ist das nicht grausam?« Er öffnet die Tür zu »unserem Klassenzimmer« und lässt mich vortreten: »Deshalb die Abschürfungen an den Händen. Der wollte sich nicht umbringen, glaub mir!«
    »Ein Reflex«, erwidere ich gähnend, »der normale Selbsterhaltungstrieb des Menschen. Auch Selbstmörder, die ins Wasser springen, schreien noch um Hilfe, bevor sie ersaufen.« Das hatte ich irgendwo gelesen.
    »Morgen, die Herren«, lässt sich Egon Beylich vernehmen, der schon mit seinem Rapport angefangen hat. Er steht vorn am Pult, neben sich Klaus Sicken, ein Krauskopf, der mit Vorliebe braune Kunstlederjacken trägt und irgendwie an die Monty-Python-Filme der sechziger und siebziger Jahre erinnert.
    Die übrigen Ermittler hocken interessiert an ihren Resopal- beziehungsweise Sprelacart-Tischen und tackern gewichtig mit Kugelschreibern herum.
    »Morgen, Kollegen!« Hünerbein klopft mit den Knöcheln seiner Faust auf den ihm am nächsten stehenden Tisch und sieht grüßend in die Runde.
    »Schön, dass unsere Westberliner Kollegen auch den Weg zu uns gefunden haben.« Beylich deutet zur rückwärtigen Wand, wo auf einem Tisch Plastikbecher und Thermoskannen stehen. »Bedienen Sie sich!«
    »Merci«, knurre ich und laufe nach hinten, um mir einzuschenken.
    Durch die geöffneten Fenster zum Hof hin hört man rhythmisches Stampfen wie von Stiefeln. Als würde dort eine Kompanie Soldaten herummarschieren.
    Merkwürdig. Ich lehne mich mit meinem Kaffeebecher an die Wand, um den Ausführungen des Kriminalrats zu folgen.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?« Offenbar würde mich Beylich auch gern mal wie einen Pennäler die Schulbank drücken sehen, aber den Gefallen tue ich ihm nicht.
    »Ich habe die ganze Nacht gesessen, danke«, sage ich und rühre Zucker in meinen Kaffee. »Machen Sie nur weiter!«
    »Fahren Sie fort, Sicken!« Beylich nickt dem Krauskopf zu. »Was haben die Brandermittlungen gebracht?«
    »Ja, äh … die Kollegen von der Feuerwehr gehen jetzt von einem Brandanschlag aus.« Sicken wendet sich zur Wandtafel und malt einen groben Wohnungsumriss auf. »Hier in der kleinen Abstellkammer hinter der Küche in Wohnung eins – also erster Stock rechts – fanden sich Rückstände von Kupfer, Gummi und Zinn …«
    »Aaab-tei-luuung«, brüllt es markerschütternd vom Hof herein, »Halt!«
    »… sowie Spuren von Zink-Kohle-Verbindungen und einer acetonhaltigen Flüssigkeit«, beendet Sicken seinen Satz.
    »Still-gestanden!«, echot es auf dem Hof, »die Au-geeen links!« Gleichzeitig scheppert eine Blaskapelle drauflos und spielt so laut den Radetzkymarsch, dass wir uns kaum mehr verständigen können.
    »Um Gottes willen«, entfährt es Hünerbein. »Was ist denn da draußen los?«
    »Die Bepo übt den Nationalfeiertag, Genosse Hauptkommissar«, meldet Matuschka stramm und mit stolzgeschwellter Brust, wird aber sogleich von Beylich zusammengestaucht.
    »Merken Sie sich das endlich, Matuschka: keine Genossen mehr!« Er schließt das Fenster und sieht uns entschuldigend an. »Die Bereitschaftspolizei probt für den Großen Zapfenstreich zum Tag der Deutschen Einheit.«
    »Aha«, mache ich und überlege, ob in der Keithstraße inzwischen auch schon marschiert wird. Skurrile Zeiten sind das.
    »Aceton bildet mit Luft ein explosives Gemisch«, erklärt Sicken weiter, »da reicht ein kleiner Funke und bumm! Die Ermittler der Feuerwehr untersuchen das noch genauer.«
    »Also ein Brandsatz.« Beylich runzelt die Stirn. »Dachte ich’s mir doch.«
    »Gezündet vermutlich mit einem mechanischen Wecker der Marke Blessing«, setzt Sicken hinzu.
    »Blessing?«, merkt Beylich auf.
    »Ein Uhrenfabrikant im Schwarzwald«, erklärt Sicken, »wir haben das recherchiert.«
    Beylich nickt düster. »Danke, Sicken. – Wir haben es also mit einem Verbrechen zu tun«, wendet er sich an seine Mannschaft, »und es gibt eine Leiche. Haben wir da schon Erkenntnisse?«
    »Nach wie vor drei Vermisste!«, meldet Matuschka und zählt sie auf: »Bäuerle, Ernst; Droyßig, Melanie und Darkmann, Leander.«
    »Melanie Droyßig können Sie streichen«, mische ich mich ein. »Die ist wieder aufgetaucht. Und dieser Darkmann lebt wahrscheinlich auch.«
    »Ja, was heißt wahrscheinlich«, ruft Beylich ungehalten. »Lebt er oder lebt er nicht?«
    »Melanie lebt ganz sicher«, lächle ich erleichtert, »die habe ich gestern eingesammelt.«
    »Supi, dann kann ich die streichen.«

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