Tortenschlacht
ich von Ihnen wissen.« Der Mann hockte sich nieder und sah Heini Boelter durch seine dunkle Sonnenbrille an. »Was haben Sie getan an jenem kühlen Nachmittag des fünfzehnten Januar? Beim Sturm auf die Stasizentrale?«
Boelter spürte, wie sein Augenlid nervös zu ticken begann.
»Wat wollnse denn immer mit die Vergangenheit?«, rief er verzweifelt, »allet ist im Aufbruch, keene Sau interessiert sich noch für die Stasi!« Er fing an zu heulen. »Mann, det is doch so ‘ne Art Jründerzeit jetzt, alle erfinden sich neu, und och ick arbeite an mein’m Uffschwung. Wie so ‘ne kleene Blume, die nach einem langen Winter endlich wachsen will.« Er schniefte erbärmlich. »Und wat machen Sie? Wer’n die Scheißstasi nich los! – Soll ick jetzt etwa deswegen sterben?«
»Das werden Sie«, versprach der Mann mit dem Borsalinohut, und in seiner Sonnenbrille reflektierten sich die von den Scheinwerfern des Plymouth angestrahlten herbstlichen Bäume im Wald, »wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen, was damals gelaufen ist.«
»Na nüscht«, rief Boelter und kassierte einen kräftigen Schlag mit dem Rücken der behandschuhten Hand. Gefesselt, wie er war, fiel er der Länge nach in den Matsch und versaute sich so die teure Lederjacke. Tränen der Wut und des Schmerzes stiegen ihm in die Augen.
»Schluss jetzt, Boelter!« Der Mann packte ihn am Kinn. »Was verschweigen Sie mir?«
»Ehrlich, ick …«
Krack! Heini hatte das Gefühl, als würde es ihm den Kopf wegsprengen. Jetzt lag er rücklings im Matsch. Boelter schloss entsagungsvoll die Augen und wimmerte drauflos:
»Ick hab doch allet jemacht! War doch allet korrekt. Sie haben Ihre Scheißakten doch bekommen …«
»Richtig, und Sie haben dafür kassiert, nicht wahr?« Der Borsalinohut ging zum Wagen zurück. »Wissen Sie, Heinrich, ich mag es nicht, wenn man mir etwas vorenthält. Sie lügen mich an.«
»Niemals«, beteuerte Boelter, und er hätte die Hand zum Schwur gehoben, wenn er sie hätte zücken können. So aber blinzelte er nur seinen Peiniger mit flackernden Lidern an.
Der öffnete den Kofferraum des Plymouth und zog den schweren Wagenheber heraus.
Auweia, jetzt erschlägt er mich, dachte Boelter entsetzt, der schlägt mich hier in diesem finsteren Wald einfach tot, und dann fressen mich die Wildschweine …
Und tatsächlich holte der Borsalinohut aus zum Schlag. Schnell versuchte sich Boelter wegzurollen, doch schon krachte es entsetzlich. Glassplitter flogen herum, rote vor allem und gelbe.
Es dauerte einen Moment, bis Boelter verstand: Nicht ihm hatte der Schlag mit dem Wagenheber gegolten, sondern dem Plymouth. Eine der herrlichen verchromten Heckflossen mit den sorgsam geputzten Rückleuchten war zertrümmert worden.
Nicht auch noch das, dachte Boelter fassungslos, was für ein Alptraum! Nicht auch noch die Zerstörung meines automobilen Traumes!
»Bleiben Sie immer noch dabei?«, fragte der Borsalinohut. »Verschweigen Sie mir immer noch nichts?« Wieder hob er den Wagenheber, um die andere Heckflosse zu Schrott zu schlagen, da schrie Boelter gellend:
»Nicht! Lassense! – Ick jestehe allet!«
Der Mann mit dem Borsalinohut ließ den Wagenheber sinken und wandte sich vom Plymouth ab.
»Schön«, sagte er, »ich wusste, dass Sie ein vernünftiger Mann sind. Ein richtig cleverer Bursche, nicht war?« Er hockte sich wieder vor Boelter hin. »Soll ich raten? Sie wollten zweimal kassieren. Sie sind nicht dumm, haben die Brisanz der Akten entdeckt und sich Kopien gemacht, richtig?«
»Nich icke!« Boelter schüttelte heftig den Kopf. »Det war ‘n anderer.«
»Ach? – Und wer?«
»Woher soll ick det wissen?« Boelter sah erbärmlich aus. »Da war plötzlich so ‘n Kerl! Bedroht mich mit ‘ner Knarre und nimmt mir die Akten ab.«
»Und dann?«
»Schiebt er sie in so ‘n Teil.« Boelter schüttelte die zusammengebrochene Elvistolle. »Mensch, ick wusste doch damals jar nich, wat det war. Heute is klar, det war ‘n Fotokopierer. Aba damals? Ick meine, rein technologisch lebten wir im Osten ja so ziemlich uff ‘m Mond, wa?«
»Okay, der Mann macht sich Kopien. Und dann?«
»Jibt er mir die Originale zurück.« Boelter seufzt. »Ick musste schwören, niemandem wat zu sagen, ehrlich!«
»Würden Sie den Mann wiedererkennen?«
»Nie im Leben«, Boelter wollte den Kopf schütteln, bekam aber jetzt einen Tritt in die Magengrube, dass ihm sekundenlang die Luft wegblieb.
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«, wiederholte der Mann
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