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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
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würde? Aber Sie können nicht erwarten, dass Ihre Fantasie mich bewegt. Ich glaube immer noch, dass dieser Cairn kein grausigeres Geheimnis birgt als einen in der Schlacht gefallenen Wikingerhäuptling – und Ihre Schwärmerei bezüglich nordischer Teufel hat wirklich mit dieser Sache nichts zu tun. Werden Sie mir helfen, diesen Cairn aufzubrechen?«
    »Nein«, antwortete ich knapp.
    »Ein paar Stunden Arbeit sollten ausreichen, um freizulegen, was er vielleicht verbirgt«, fuhr er fort, als hätte er mich nicht gehört. »Übrigens, weil wir schon einmal von Aberglaube reden, gibt es da nicht ein paar seltsame Geschichten, wonach zwischen diesem Haufen hier und Stechpalmen eine Verbindung bestehen soll?«
    »Nach einer alten Legende soll man aus irgendeinem geheimnisvollen Grund im Umkreis von einer Meile alle Bäume, die Stechpalmen waren, gefällt haben«, antwortete ich mürrisch. »Das ist auch so eine seltsame Sache. Die Stechpalme spielte in der Zauberei der Wikinger eine wichtige Rolle. Die Vier Meister berichten von einem Wikinger – einem weißbärtigen Alten von wildem Aussehen, offenbar einem Priester Odins – der von den Eingeborenen erschlagen wurde, als er ein Jahr nach der Schlacht versuchte, einen Stechpalmenzweig auf den Cairn zu legen.«
    »Nun«, Ortali lachte, »ich habe einen Stechpalmenzweig besorgt – sehen Sie? – und werde ihn an meinem Rockaufschlag tragen, vielleicht schützt er mich vor Ihren nordischen Teufeln. Ich bin überzeugter denn je, dass unter dem Cairn ein Wikingerfürst liegt – und man hat Häuptlinge immer mit all ihren Reichtümern bestattet: mit goldenen Bechern und mit Juwelen besetzten Schwertgriffen und silbernen Korseletts. Ich habe das Gefühl, dieser Cairn enthält Reichtümer, Reichtümer, über die jahrhundertelang irische Bauern mit ihren schwerfälligen Füßen gestolpert sind und dabei in Not gelebt haben und an Hunger gestorben sind. Bah! Wir werden gegen Mitternacht hierher zurückkehren, zu einem Zeitpunkt, an dem wir einigermaßen sicher sein können, dass man uns nicht stört – und Sie werden mir bei den Ausgrabungen behilflich sein.«
    Den letzten Satz stieß er in einem Ton heraus, der eine rote Aufwallung von Blutgier durch mein Gehirn jagte. Ortali wandte sich ab und begann den Cairn zu untersuchen, während er weiterredete. Meine Hand tastete fast unwillkürlich verstohlen nach einem kantigen Steinbrocken, der sich von einem der Felsen gelöst hatte, und schloss sich um ihn. In diesem Augenblick war ich ein potenzieller Mörder, wenn je ein solcher seinen Fuß auf die Erde gesetzt hat. Ein Schlag, schnell, lautlos und wild, und ich würde für alle Zeit aus einer Knechtschaft befreit sein, die ebenso bitter war, wie meine keltischen Vorfahren sie unter dem Joch der Wikinger erlebt hatten.
    Als würde er meine Gedanken ahnen, fuhr Ortali herum und sah mich an. Ich schob den Stein schnell in meine Tasche und wusste nicht, ob er etwas bemerkt hatte. Aber er musste in meinen Augen den blutroten Instinkt des Tötens entdeckt haben, denn er zuckte wieder zurück, und seine Hand suchte den versteckten Revolver.
    Aber er sagte nur: »Ich habe es mir anders überlegt. Wir werden heute Nacht den Cairn nicht aufbrechen. Morgen Nacht, vielleicht. Vielleicht beobachtet man uns. Ich werde jetzt zum Hotel zurückkehren.«
    Ich gab keine Antwort, wandte ihm aber den Rücken zu und ging übel gelaunt mit langen Schritten in Richtung Küste. Er schritt den Abhang der Landzunge hinauf, hinter der die Stadt lag, und als ich mich umdrehte, um nach ihm zu sehen, überquerte er gerade deren Kamm und zeichnete sich dabei deutlich vor dem dunstigen Himmel ab. Wenn Hass töten könnte, hätte er tot umfallen müssen. Ich sah ihn in rot getöntem Dunst, und in meinen Schläfen hämmerte dröhnend der Puls.
    Ich wandte mich wieder der Küste zu und blieb plötzlich stehen. Ganz im Bann meiner düsteren Gedanken hatte ich mich, ohne sie zu bemerken, bis auf wenige Schritte einer Frau genähert. Sie war groß und kräftig gebaut, mit einem streng wirkenden, vom Leben in den Bergen verwitterten Gesicht mit tief eingegrabenen Zügen. Ihre Kleidung war mir fremd, aber daran dachte ich kaum, weil mir wohl bewusst war, was für seltsame Kleider rückständige Leute manchmal tragen.
    »Was macht Ihr bei dem Cairn?«, fragte sie mit tiefer, kräftig klingender Stimme. Ich sah sie überrascht an; sie sprach Gälisch, was an sich nicht ungewöhnlich war, aber das Gälisch, das sie

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