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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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I
    Bei einer Lehrverpflichtung von vier Stunden die Woche hat man jede Menge Zeit, und so erledigte ich eines schönen Märztages für einen Freund einen Auftrag. Er hatte mich gebeten, DVDs zu kaufen, eine Spindel mit 100 Stück der silberglänzenden Scheiben. Er hatte ein unschlagbares Angebot aufgetan und nun war ich auf dem Weg zum Reumannplatz.
ComServe2000 hieß die Firma, Leibnizgasse 31, Stiege I, Tür 6. Das war irgendwo in Favoriten, ich wollte gegen 10 Uhr vormittags dort sein.
    Als ich in Favoriten den U-Bahn-Schacht hinaufkam, blies mir ein eisiger Wind entgegen und die Passanten duckten sich in ihre aufgestellten Kragen. Vor ein paar Tagen war es noch frühlingshaft gewesen, aber der Winter war zurückgekehrt und er hatte mächtig schlechte Laune. Die Straßen waren nass und ich suchte mit dem Adresszettel in der Hand nach dem Laden.
    Als ich dann vor einem heruntergekommenen Gemeindebau stand, hatte ich die Nässe in meinen Schuhen und in meinen Socken, und meine Zehen fühlten sich wie Überlebende der Titanic-Katastrophe, die irgendwo im Nordatlantik treiben und langsam erfrieren. Immerhin mussten sie in den ausgetretenen Latschen keinen weißen Hai fürchten.
    Der Gemeindebau stammte aus den 50ern, war grau und unansehnlich. Er hatte zwar die richtige Hausnummer, aber einen Hinweis auf ComServe2000 konnte ich nirgends entdecken. Ich ging einmal um den alten Betonkasten herum. Das ganze Gebäude war abgewohnt und trostlos. Die Klingelanlage war total verschmiert, sodass kein Name mehr zu lesen war. Also läutete ich einfach bei der im Prospekt angegebenen Nummer. Eine undeutliche Stimme bellte mir ein »Ja, bitte?« entgegen. Ich erklärte mein Anliegen und nach einer misstrauischen Pause summte der Türöffner. Ich ging in die Einfahrt hinein. Es war dunkel und die Mülltonnen an beiden Wänden verbreiteten einen unangenehmen Geruch. Es stank, so wie Müll eben stinkt. Im Dunkeln war es gar nicht so einfach, die Stiege I zu finden, und als ich im Flur gezwungen war, einer Urinlacke auszuweichen, war mir das Haus mitsamt seinen Bewohnern gründlich verhasst.
    Das Treppenhaus war schmierig und schlecht beleuchtet. Als ich an der Tür mit der Nummer 6 angekommen war, hätte ich am liebsten kehrt gemacht. Es war eine stinknormale Wohnungstür, allerdings mit dicken Sicherheitsschlössern versehen, und anstelle eines Familiennamens war in schlechter Handschrift ComServe2000 auf den weißen Kunststoff geschmiert.
    Ich läutete und hörte jemanden hinter der Tür. Ein Auge starrte durch den Spion. Ich vernahm gedämpft zwei Stimmen, eine rief fragend, die andere antwortete brummend. Was sie sagten, konnte ich nicht verstehen. Riegel wurden bewegt, Schlüssel gedreht und langsam öffnete sich die Tür Zentimeter für Zentimeter. Eine dicke Kette, die ausgereicht hätte, Fenrir zu fesseln, kam zum Vorschein und ein Gesicht erschien. Irgendwer hatte da wohl ein mächtig schlechtes Gewissen.
    »Was willst du?«, fragte eine weibliche Stimme.
    »Ich komme wegen der DVDs.«
    »Er will DVDs«, rief sie nach hinten, einem anderen zu.
    »Gib sie ihm«, kam die Antwort. Eindeutig ein Mann im Hintergrund.
    »Okay, komm rein.«
    Die Kette wurde weggeschoben und die Tür öffnete sich. Vor mir stand eine dralle Blondine, vielleicht 20 Jahre alt, mit halblangen Haaren, einem engen weißen Top und einer hautengen Leggins. Neonrosa. Sie hatte mehr Kurven als die Nürburgring-Nordschleife und versteckte keine davon. Ihr Blick war leicht glasig und in der rechten Hand, an der jede Menge Goldblech und bunte Steine baumelten, hielt sie eine gelbe Bierdose.
    »Komm rein«, sagte sie schleppend und ich folgte ihrer Einladung. Die Wohnung war schmuddelig, alles vollgeräumt mit Elektronik und Zubehör. Die Blondine nippte an ihrer Dose.
    »Wie viele willst du denn?« Hinten im anderen Zimmer hörte ich ein Geräusch und kurz darauf kam ein Mann, Mitte 50, zu uns herein. Er hatte öliges schwarzes Haar mit vielen grauen Strähnen, glatt nach hinten gekämmt, trug ein weißes Rippshirt, eine Goldkette und war ganzkörpertätowiert wie ein Maorihäuptling. Ein Tschik hing wie ein Orden in seinem Mundwinkel, eine violette Plastikjogginghose mit silbernen Streifen vervollkommnete die Aufmachung. Auf dem Rücken hatte er einen durchsichtigen Plastiksack mit
DVD-Spindeln, mindestens 200 Stück. Er ließ den Sack zu Boden krachen und kurzzeitig erschien er mir wie ein moderner Krampus, der den Nikolaus erschossen und den armen Alten

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