Tote lieben laenger
werde bei dir sein", flüsterte sie. "Weil du mir verpflichtet bist."
"Ich bin dir verpflichtet?" Jeder, der irgendwann einmal verheiratet war, weiß, dass sich die Streitereien im Kreis drehen und jeder Ehepartner immer wieder in alte, schmerzhafte Muster verfällt. Beschämende Muster.
"Du hast mich geliebt. Zumindest hast du das behauptet."
"Das stimmt, das habe ich." Ich hatte sie geliebt. Denke ich. Wer konnte so etwas genau wissen, außer Gott? Und sogar als Toter war ich mir nicht sicher, ob Gott überhaupt existierte. Schließlich musste er mir noch sein heiliges Gesicht zeigen, und ein barmherziger Gott hätte uns diese Begegnung nach ihrem Selbstmord erspart. Und wenn Gott Liebe war, teilten beide den gleichen Mangel an Existenz.
"Wenn man jemanden liebt , ist man ihm verpflichtet", sagte sie. "Auf immer und ewig. Amen."
Das Wort "liebt" hatte sie mit einem gehässigen Unterton ausgesprochen, so als ob ich für alle gebrochenen Herzen im Laufe der Weltgeschichte verantwortlich wäre. Vielleicht steht jede Liebe unter einem schlechten Stern. Schließlich kann es kein perfektes Happy End geben, außer man glaubt an das Leben nach dem Tod und beide Partner haben das Glück, am gleichen Ort zu landen. Die Liebe konnte ihren eigenen Höllenkessel zusammenbrauen. Aber angeblich konnte die Liebe auch die Flammen löschen, die fiebernde Stirn abkühlen, den heißen und seltsamen Übermut abkühlen, der die Menschen zu verrückten Taten trieb. Vielleicht hatte ich aber auch nur zu viele Popsongs gehört.
"Es tut mir leid ... du weißt, das damals...", sagte ich. Das Reden fühlt sich seltsam an, wenn man tot ist. Die Worte kommen einem aus dem Rachen, ohne dass Luft dahinter ist. Man hat das Gefühl, den Worten fehlt die Substanz. Vielleicht war auch der Tod nicht in der Lage, meinen Kommunikationsstil zu ändern, zumindest nicht, wenn es um Diana ging.
Sie kaufte mir meinen Haufen Unsinn nicht ab. "Du denkst, dass du es jetzt wieder gutmachen kannst."
Sie wandelte sich zu einem festeren Etwas und das Feuer hinter ihr wurde schwächer. Ihre Augen waren heiße Funken des Schmerzes, den Schmerz hortend und ausstrahlend. Die Flammen züngelten auf ihrer nackten Haut wie die Finger von unzähligen Vergewaltigern. Dann verflüchtigten sie sich, ganz so, als ob sie das Feuer in ihre Seele aufgesaugt hätte. Sie stand nackt vor mir, hinter ihr der dunkle und endlose Korridor. Die aufgedunsene, graue Blässe, die ihren Tod gekennzeichnet hatte, war verschwunden. Ihre Haut war von einer obszönen Glut errötet.
Verdammt, sie war wunderschön.
"Man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen", sagte ich. Das Klischee war wenig überzeugend, als es meine Lippen verließ, und die widersprüchliche Uhr an der Wand verspottete mich.
"Was geschehen ist, ist geschehen", sagte sie fast schon sarkastisch.
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe dich wirklich geliebt."
"Wirklich." Sie lächelte, und ich erinnerte mich an dieses Lächeln aus unzähligen Nächten im Kerzenlicht, mit ihren auf dem Kopfkissen ausgebreiteten Haaren, dem Gesang der Bettfedern und das wie eine Kastagnette gegen die Wand knallenden Brett am Kopfende. "Was hält dich jetzt davon ab?"
Einiges. Diana war tot. Lee war am Leben. Ich hatte meinen eigenen Tod noch nicht akzeptiert und glaubte irgendwie, noch mehr mit Lee gemein zu haben. Nicht, dass ich in der Regel Frauen miteinander vergleichen würde. Jede hat ihre Tugenden und ihre Fehler, jede ist absolut betörend und völlig unbegreiflich, und ich habe nie verstanden, warum die Liebe ein sich gegenseitig ausschließender Zustand sein sollte. Die Liebe war eine große Sache, so weit und seltsam und kompliziert wie Gott, und wer war ich schon, dass ich versuchen wollte, sie zu erklären oder sie gar in mir zu haben?
"Du verdienst jemand Besseren als mich." Da. Der perfekte Distanzierungsmechanismus. Mich selber zum Problem machen, damit sie die Ablehnung als positiv empfinden konnte.
"Ich dachte, du seist der Beste", sagte sie. Der Korridor und der Raum waren beide kalt geworden, die nachwirkende Hitze der Flammen hatte sich verflüchtigt. Komisch, wie sehr heiß und kalt, Schmerz und Angst, Lust und Abscheu noch auf mich wirkten. Man sollte denken, das Fehlen des Herzschlags würde solchen schalen, menschlichen Dingen ein Ende bereiten. Aber irgendwie wirkten sie lebhafter und intensiver, so als ob ihre flüchtige Natur sie in kräftigeren Farben zeichnete, wie absterbende Blätter im
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