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Transparenzgesellschaft

Transparenzgesellschaft

Titel: Transparenzgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Byung-Chul Han
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Kontrollgesellschaft. Jeder kontrolliert jeden.
     
    Die Transparenz und die Macht vertragen sich schlecht. Die Macht hüllt sich gerne ins Geheimnis. Die Arkan-Praxis ist eine der Techniken der Macht. Die Transparenz baut die Arkansphäre der Macht ab. Die gegenseitige Transparenz kann aber allein durch permanente Überwachung erreicht werden, die eine immer exzessivere Form annimmt. Das ist die Logik der Überwachungsgesellschaft. Außerdem vernichtet die totale Kontrolle die Handlungsfreiheit und führt letzten Endes zu einer Gleichschaltung. Das Vertrauen, das freie Handlungsräume hervorbringt, kann nicht einfach durch die Kontrolle ersetzt werden: »Die Menschen müssen ihrem Herrscher glauben und vertrauen; mit ihrem Vertrauen gewähren sie ihm eine gewisse Handlungsfreiheit und verzichten auf eine ständige Prüfung und Überwachung. Ohne solche Autonomie könnte er tatsächlich keinen Schritt tun.« 95
     
    Vertrauen ist nur möglich in einem Zustand zwischen Wissen und Nicht-Wissen. Vertrauen heißt trotz Nicht-Wissen gegenüber dem Anderen eine positive Beziehung zu ihm aufbauen. Es macht Handlungen möglich trotz fehlenden Wissens. Weiß ich im Vorfeld alles, so erübrigt sich das Vertrauen. Transparenz ist ein Zustand, in dem jedes Nicht-Wissen eliminiert ist. Wo Transparenz herrscht, ist kein Raum für das Vertrauen vorhanden. Statt ›Transparenz schafft Vertrauen‹ sollte es eigentlich heißen: ›Transparenz schafft Vertrauen ab.‹ Die Forderung nach Transparenz wird gerade dann laut, wenn es kein Vertrauen mehr gibt. In einer auf Vertrauen beruhenden Gesellschaft entsteht keine penetrante Forderung nach Transparenz. Die Transparenzgesellschaft ist eine Gesellschaft des Misstrauens und des Verdachts, die aufgrund des schwindenden Vertrauens auf Kontrolle setzt. Die lautstarke Forderung nach Transparenz weist gerade darauf hin, dass das moralische Fundament der Gesellschaft brüchig geworden ist, dass moralische Werte wie Ehrlichkeit oder Aufrichtigkeit immer mehr an Bedeutung verlieren. An die Stelle der wegbrechenden moralischen Instanz tritt die Transparenz als neuer gesellschaftlicher Imperativ.
     
    Die Transparenzgesellschaft folgt genau der Logik der Leistungsgesellschaft. Das Leistungssubjekt ist frei von äußerer Herrschaftsinstanz, die es zur Arbeit zwingen und ausbeuten würde. Es ist Herr und Unternehmer seiner selbst. Der Wegfall der Herrschaftsinstanz führt aber nicht zu einer wirklichen Freiheit und Zwanglosigkeit, denn das Leistungssubjekt beutet sich selbst aus. Der Ausbeutende ist gleichzeitig der Ausgebeutete. Täter und Opfer fallen hier in eins. Die Selbstausbeutung ist effizienter als die Fremdausbeutung, weil sie vom Gefühl der Freiheit begleitet wird. Das Leistungssubjekt unterwirft sich einem freien, selbstgenerierten Zwang. Diese Dialektik der Freiheit liegt auch der Kontrollgesellschaft zugrunde. Die Selbstausleuchtung ist effizienter als die Fremdausleuchtung, weil sie mit dem Gefühl der Freiheit einhergeht.
     
    Benthams Panoptikum-Projekt ist vor allem moralisch oder biopolitisch motiviert. Der erste zu erwartende Effekt der panoptischen Kontrolle ist, so Bentham, »morals reformed«. 96 Als weitere Effekte nennt er: »health preserved«, »instruction diffused« oder »the gordian knot of the Poor-Laws are not cut, but untied«. 97  Der Transparenzzwang ist heute kein explizit moralischer oder biopolitischer, sondern vor allem ein ökonomischer Imperativ. Wer sich ausleuchtet, liefert sich der Ausbeutung aus. Ausleuchtung ist Ausbeutung.  Die Überbelichtung einer Person maximiert die ökonomische Effizienz. Der transparente Kunde ist der neue Insasse, ja der Homo sacer des digitalen Panoptikums.
     
    In der Transparenzgesellschaft bildet sich keine Gemeinschaft im emphatischen Sinne. Es entstehen nur zufällige Ansammlungen oder Vielheiten von für sich isolierten Individuen, von Egos, die ein gemeinsames Interesse verfolgen oder sich um eine Marke gruppieren (Brand communities). Sie unterscheiden sich von Versammlungen, die zu einem gemeinsamen, politischen Handeln, zu einem Wir fähig wären. Ihnen fehlt der Geist? 98 Ansammlungen wie Brand communities bilden eine additive Formation ohne jede innere Verdichtung. Konsumenten liefern sich freiwillig den panoptischen Beobachtungen aus, die ihre Bedürfnisse steuern und befriedigen. Hier unterscheiden sich die sozialen Medien nicht mehr von den panoptischen Maschinen. Kommunikation und Kommerz, Freiheit und

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