Transparenzgesellschaft
Kontrolle fallen in eins. Die Öffnung der Produktionsverhältnisse für die Konsumenten, die eine beiderseitige Transparenz suggeriert, erweist sich letzten Endes als Ausbeutung des Sozialen. Das Soziale wird zu einem funktionellen Element des Produktionsprozesses degradiert und operationalisiert. Es dient vor allem zur Optimierung des Produktionsverhältnisses. Der scheinbaren Freiheit der Konsumenten fehlt jede Negativität. Sie bilden kein Außen mehr, das das systemische Innen in Frage stellen würde.
Heute entwickelt sich der ganze Globus zu einem Panoptikum. Es gibt kein Außerhalb des Panoptikums. Es wird total. Keine Mauer trennt das Innen vom Außen. Google und soziale Netzwerke, die sich als Räume der Freiheit präsentieren, nehmen panoptische Formen an. Heute vollzieht sich die Überwachung nicht, wie man gewöhnlich annimmt, als Angriff auf die Freiheit. 99 Man liefert sich vielmehr freiwillig dem panoptischen Blick aus. Man baut geflissentlich mit am digitalen Panoptikum, indem man sich entblößt und ausstellt. Der Insasse des digitalen Panoptikums ist Opfer und Täter zugleich. Darin besteht die Dialektik der Freiheit. Die Freiheit erweist sich als Kontrolle.
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ANMERKUNGEN
1 Peter Handke, Arn Felsfenster morgens, Salzburg 1998, S. 336.
2 So lautet die Tagebuchnotiz von Ulrich Schacht vom 23. Juni 2011. Vgl. Ulrich Schacht, Über Schnee und Geschichte, Berlin 2012.
3 Wilhelm von Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, Berlin 1836, S. 64.
4 Jean Baudrillard, Die fatalen Strategien. Die Strategie der Täuschung, München 1992, S. 29.
5 Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues, a.a.O., S. 65.
6 Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Gesamtausgabe, Bd. 11, Frankfurt a.M. 1992, S. 405.
7 Richard Sennett, Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin 2004, S. 151.
8 Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente Frühjahr-Herbst 1884, Kritische Gesamtausgabe VII.2, Berlin 1973, S. 226.
9 Vgl. Gerd Gigerenzer, Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, München 2007.
10 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1952, S. 30.
11 Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Kritische Gesamtausgabe, VI.2, Berlin 1968, S. 167.
12 Alain Badiou, Lob der Liebe, Wien 2011, S. 15.
13 Baudrillard, Die fatalen Strategien, a.a.O., S. 219.
14 Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, Stuttgart 2008, S. 48.
15 Ebd., S. 47.
16 Ebd., S. 58.
17 Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 1963, S. 21.
18 Ebd., S. 23.
19 Baudrillard, Die fatalen Strategien, a.a.O., S. 71.
20 Roland Barthes, Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie, Frankfurt a.M. 1989, S. 104.
21 Ebd., S. 93.
22 Ebd.,S.93f.
23 Baudrillard, Die fatalen Strategien, a.a.O., S. 71.
24 Ebd, S. 12.
25 Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1954, S. 149.
26 Baudrillard, Die fatalen Strategien, a.a.O., S. 71.
27 Jean Baudrillard, Transparenz des Bösen, Berlin 1992, S. 64.
28 Martin Heidegger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, Gesamtausgabe, Bd.3,Frankfurta.M. 1981,S. 146.
29 Heidegger, Vorträge und Aufsätze, a.a.O., S. 108.
30 Eva Illouz, Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung, Berlin 2011, S. 345f.
31 Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, a.a.O., S. 404.
32 Ebd., S. 405.
33 Giotgio Agamben, Die kommende Gemeinschaft, Berlin 2003, S. 51.
34 Ebd., S. 53.
35 Slavoj Zizek, Metastasen des Begehrens. Sechs erotisch-politische Vetsuche, Wien, 1996, S. 50.
36 Jacques Lacan, Seminar 7. Die Ethik der Psychoanalyse, Weinheim/Berlin 1996, S. 183.
37 Ebd., S. 166.
38 Ebd., S. 171.
39 Zizek, Metastasen des Begehrens, a.a.O., S. 51.
40 Lacan, Seminar 7, a.a.O., S. 59.
41 Michel Foucault, Freiheit und Selbstsorge, Interview 1984 und Vorlesung 1982, hrsg. von H. Becker u.a., Frankfurt a.M. 1985, S. 25f.
42 Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, a.a.O., S. 54.
43 Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Juli 1882 bis Winter 1883-1884, Kritische Gesamtausgabe, VII. 1, Berlin 1977, S. 513.
44 Augustinus, Die Lüge und Gegen die Lüge, Würzburg 1986, zitiert in Martin Andrée, Archäologie der Medienwirkung, München 2005, S. 189.
45 Walter Benjamin,
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