Traumfänger
Profitgedanken aus der Medizin verbannte und in dem die verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiteten, ohne daß sich eine riesige Kluft zwischen Schulmedizinern und Naturheilkundlern auftat. Würde ich dort Gleichgesinnte finden, denen es wirklich um Gesundheit und Heilen ging? Gab es dort Menschen, die gegenüber allem aufgeschlossen waren, was funktionierte? Oder würde ich nur auf eine neue Form negativer Manipulation treffen, wie es bei der Behandlung von Krankheiten in den USA gang und gäbe ist?
Was mich aber am meisten begeisterte, war einfach Australien. So weit ich zurückdenken konnte, hatte ich jedes Buch über das Land »Down Under« verschlungen, das mir in die Finger fiel. Im Zoo hatte ich als Kind immer als erstes das Känguruh besucht, und mein sehnlichster Wunsch war es gewesen, einmal einen Koalabären zu sehen. Auf einer geheimnisvollen, verborgenen Ebene hatte mich dieses Land schon immer gerufen. Ich hielt mich für eine selbstbewußte, gebildete und unabhängige Frau, und seit ich mich erinnern konnte, hatte ich in meiner Seele ein Verlangen gespürt, ein Ziehen in meinem Herzen, das Land am Fuße des Globus zu besuchen.
»Denken Sie drüber nach«, drängte die australische Stimme. »Ich rufe Sie in vierzehn Tagen wieder an.«
Es war genau der richtige Zeitpunkt. Erst vor zwei Wochen hatten meine Tochter und ihr Verlobter den Termin für ihre Hochzeit festgelegt. Das bedeutete, daß ich zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben völlig unabhängig war. Ich konnte an jedem Ort der Welt leben, der mir gefiel, und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Wie immer würden mein Sohn und meine Tochter mich in allem unterstützen. Seit meiner Scheidung waren aus den Kindern eher zwei gute Freunde geworden. Jetzt waren sie beide erwachsen und führten ihr eigenes Leben, und ich erlebte, wie aus einem Wunsch Wirklichkeit wird.
Sechs Wochen später - die Hochzeit war gefeiert und meine Praxis in neuen Händen - stand ich mit meiner Tochter und einer guten Freundin am Flughafen. Es war ein eigenartiges Gefühl. Zum ersten Mal seit Jahren besaß ich kein Auto, kein Zuhause und keine Schlüssel; selbst mein Gepäck hatte nur Zahlenschlösser. Bis auf ein paar eingelagerte Dinge hatte ich mich von allen weltlichen Besitztümern getrennt. Die Familienerbstücke waren bei meiner Schwester Patci sicher untergebracht. Meine Freundin Jana drückte mir ein Buch in die Hand, und wir umarmten uns.
Garri, meine Tochter, machte ein letztes Foto, dann ging ich über die mit rotem Teppich ausgelegte Rampe meinen Abenteuern auf dem Kontinent »Down Under« entgegen. Damals hatte ich noch keine Ahnung, welches Ausmaß die mir zugedachten Lektionen annehmen sollten. Meine Mutter hatte immer gesagt:
»Wähle weise. Denn was du erbittest, kann leicht das werden, was du bekommst.« Obwohl sie schon vor vielen Jahren gestorben war, begann ich erst an diesem Tag ihren oft wiederholten Satz zu verstehen.
Die Flugreise vom Mittleren Westen der Vereinigten Staaten nach Australien zieht sich ewig lang hin. Es ist ein Glück für die Passagiere, daß selbst die großen Jets zwischendurch tanken müssen, denn so durften wir bei unseren Zwischenstops auf Hawaii und Fidji etwas frische Luft schnappen. Der Qantas-Jet war sehr geräumig, und sie zeigten die Filme, die zu der Zeit mit großem Erfolg in den amerikanischen Kinos liefen.
Trotzdem kam mir die Reise unendlich lang vor.
In Australien ist man der amerikanischen Zeit um siebzehn Stunden voraus. Man fliegt also buchstäblich in den nächsten Tag hinein. Während des Fluges erinnerte ich mich daran, daß wir sicher sein konnten, daß es die Welt am nächsten Tag noch geben und alles in Ordnung sein würde! Auf dem Kontinent, der vor uns lag, war es schon »morgen«. Kein Wunder, daß die Seeleute die Überquerung des Äquators und der unsichtbaren Zeitgrenze im Meer früher mit rauhen Riten feierten. Noch heute ist diese Vorstellung kaum zu begreifen.
Als wir dann auf australischem Boden waren, wurden das ganze Flugzeug und sämtliche Passagiere desinfiziert, damit keine Krankheiten auf diesen isolierten Kontinent eingeschleppt werden konnten.
Hierauf hatte man mich in meinem Reisebüro nicht vorbereitet. Als wir landeten, hatte man uns angewiesen, auf unseren Plätzen zu bleiben. Zwei Mitarbeiter des Bodenpersonals gingen vom Cockpit der Maschine bis zur Schwanzspitze und betätigten über unseren Köpfen Sprühdosen. Auch wenn ich die Ängste der Australier
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