TS 50: Die Roboter und wir
frei.
Sie hatte ihm in starrem Staunen zugeschaut.
„Sechshundert Jahre, weil ich den Hebel nicht berührte!“ sagte sie mit leiser Stimme. „Weil ich nichts von Maschinen verstehe und nichts von Technik. Die Bücher konnte ich lesen, und ich weiß, warum ich bin. Mehr aber weiß ich nicht. Ja. Adam, so ist das. Und mache endlich Schluß!“
„Wie bist du herausgekommen?“ fragte SA-10.
„Mit der Hacke, Adam. Mit einer Hacke erkämpfte ich mir den Weg in die Freiheit. Ich entdeckte, daß man mit Stahl, nicht mit Holz zuschlagen muß.“
Da wurde es SA-10 klar, daß dieser weibliche Roboter von technischen Dingen nicht die geringste Ahnung besaß. Sie war eine Närrin, mehr nicht. Und wenn Wissen das Böse verkörperte, war sie sicherlich alles andere als schlecht. Sein Entschluß war logisch:
„Du bist nicht böse. Du kannst gehen.“
„Und du?“
Während er die Antwort überlegte, drang Hundegebell zu ihnen herein. Sie eilten zum Eingang und sahen die Verfolger. Sie saßen zu Pferde. Ihnen voran eilte die suchende Meute.
Er nickte.
„In zwanzig Minuten werden sie hier sein. Ob Gut oder Böse, sie dürfen diese Höhle niemals finden. Eva, unten am Fluß wartet mein Boot. Der rote Hebel bestimmt die Fahrtrichtung, der andere die Geschwindigkeit. Du fährst stromaufwärts bis zu den Ruinenstädten, wo du meine Höhle findest. Dort warte auf mich.“
Er schritt zur Selbstvernichtungsanlage, die genügend Energie speicherte, um die gesamte Höhle mit allem, was in ihr war, zur unkenntlichen Formlosigkeit zu zerschmelzen.
„Adam!“ rief sie erschrocken. „Ich weiß, die Menschen sind noch nicht reif für dieses hier, aber eines Tages werden sie es sein. Wir müssen das Wissen für sie aufbewahren.“
„Du sprichst zuviel, Eva. Gehe jetzt!“
„Ich gehe nicht. Ich habe dich gerettet, obwohl ich wußte, daß du mich töten wolltest. Verschließe jetzt die Höhle und gehe mit mir. Wir wollen sechs Monate zusammenleben und alles überdenken. Dann füge ich mich deinem Entschluß.“
„Du wußtest, daß ich dich töten wollte, und doch hast du mich gerettet? Warum?“
„Weil ich dich brauche und weil die Welt dich braucht, Adam. Du mußtest leben, auch wenn du mich vernichtet hättest.“
Der Eingang schloß sich langsam. Er nickte ihr zu.
Sie mochte dumm sein, aber sie hatte nicht unrecht.
Eva wußte, daß sie nun sechs Monate Zeit hatte, Zeit genug, ihn auch den Rest der Geschichte wissen zu lassen, die er nur als winzigen Anfang aus einem Filmausschnitt kannte.
Es war wieder Frühling geworden.
Adam saß unter einem Baum und fütterte die jungen Schweine, während Eva fleißig an den Kleidern nähte, die denen von Dan sehr ähnlich sahen. Bald waren sie bereit, zu den Menschen zu gehen. Die Plastikschicht, die ihre wahre Gestalt verhüllte und sie zu Androiden machte, hatte sich erhärtet. Reflexmagneten in ihren Gesichtern ließen jedes Mienenspiel natürlich wirken.
Als Adam aufstand und zu ihr ging, sah er aus wie ein junger Mann, der seine ebenso junge Frau begrüßt.
„Immer noch auf der Suche nach Gott?“ fragte sie lächelnd.
Er nahm die Kleider und legte sie Stück für Stück an.
„Er ist dort, wo er schon immer war – in uns. Aber lieb wäre es mir gewesen, wir hätten auch den dritten Roboter gefunden. Wir entdeckten keine Spur seiner Kuppelhöhle, obwohl die Aufzeichnungen von ihm berichten. Er sollte bei uns sein.“
„Vielleicht ist er es – mit seiner Seele. Denn du behauptest ja, wir besäßen eine solche.“
SA-10 nickte.
Er war sogar fest davon überzeugt.
Weit unten im Süden stieg eine müde, zerlumpte Gestalt über die Klippen am Meeresufer und legte die Hand auf einen verborgenen Mechanismus. Die Geheimtür schwang auf.
Der Mann trat in den Gang und schloß die Tür hinter sich. Am Ende des Korridors befand sich eine geräumige Höhle, und es war Jahre her, daß er zum letzten Male hier gewesen war.
Langsam begann der Fremde sich auszukleiden. Zuletzt erst nahm er die Maske ab und stand da – der letzte und vermißte Roboter.
Er seufzte, als er über die verwitterten Bücher und Filmrollen hinwegsah, die er vor den wachsenden Stalaktiten gerettet hatte. Siebenhundert Jahre wachte er nun darüber.
Aber am längsten ruhte sein Blick auf seinem größten Schatz. Durch die Plastik hindurch war das Gesicht von Simon Arnes immer noch gut zu erkennen.
Der dritte Roboter nickte der reglosen Gestalt fast freundschaftlich zu. Dann sprach er leise
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