Tyrann Aus Der Tiefe
einfach im Stich lassen.
Mit zitternden Knien ging O’Banyon den Weg zurück, den er sich gerade erst mühsam die Böschung hinaufgeschleppt hatte, blieb wenige Zentimeter vor dem Wasser stehen und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. »Steve!«, schrie er. »Antworte doch! Wo bist du?«
Aber wieder antwortete ihm nur das Heulen des Windes. O’Banyon trat zitternd noch ein Stück weiter an den See heran, bis seine Füße bis zu den Knöcheln im weichen Uferschlamm versanken, sah sich mit wachsender Verzweiflung um und rief immer und immer wieder nach Cranton.
Etwas berührte seinen Fuß. O’Banyon fuhr zusammen, sprang hastig einen Schritt zurück und lächelte nervös. Es war nur ein Stiefel, der mit den Wellen herangetrieben worden war und jetzt im Uferschlick schaukelte.
Nur ein Stiefel …?
Es war Crantons Stiefel, erkannte O’Banyon voller Schrecken. Zehn, fünfzehn Sekunden lang starrte er den schwarzen Gummistiefel aus schreckgeweiteten Augen an, dann ließ er sich in die Hocke sinken, beugte sich vor und griff mit zitternden Fingern danach.
Er merkte gleich, dass irgendetwas nicht stimmte. Der Stiefel war zu schwer …
O’Banyon schrie gellend auf, als er begriff, dass Crantons Stiefel nicht leer war …
Der Wagen kam mit einem harten Ruck zum Stehen. Die Erschütterung ließ mich unsanft von meinem improvisierten Strohlager herunter und gegen einen von Bannermanns Matrosen purzeln, und für die nächsten Sekunden waren wir voll und ganz damit beschäftigt, unsere Arme und Beine zu entwirren. Erst dann gelang es mir, mich aufzusetzen und – noch immer verschlafen und müde – in die Runde zu blinzeln.
Die Sonne war aufgegangen, und das bedeutete, dass wir die ganze Nacht durchgefahren sein mussten. Das letzte, woran ich mich erinnerte, war die Abenddämmerung gewesen, sie und die Kälte, die trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit vom Meer her auf das Land gekrochen war. Ich musste mindestens zehn Stunden durchgeschlafen haben. Trotzdem fühlte ich mich zerschlagen und müde, als hätte ich nur wenige Minuten geruht.
»Wir sind da«, drang eine dunkle Stimme in meine Gedanken. Ich sah verwirrt auf, starrte einen Moment lang Bannermann an, der meinen hilflosen Blick mit einem gutmütigen Grinsen quittierte, und sah dann nach vorne. Unser Kutscher hockte zusammengesunken und in ein halbes Dutzend Decken gewickelt auf dem schmalen Bock und blickte mit einer Mischung aus Ungeduld und schlecht unterdrückter Heiterkeit auf uns herab. Nun, wahrscheinlich boten wir – abgerissen und heruntergekommen, wie wir waren – wirklich einen lächerlichen Anblick.
»Wir sind da«, sagte der Kutscher noch einmal. Diesmal unterstrich er seine Worte mit einer Geste nach vorn. Der Weg teilte sich wenige Yards vor uns. Linkerhand führte er wieder hinauf in die karge Hügellandschaft, durch die wir bisher gefahren waren, rechts fiel er sanft ab, weit im Osten war eine dünne, blaue Linie zu erkennen.
»Ab hier müssen Sie zu Fuß weiter«, fuhr er fort. »Is’ aber nich’ weit. Sechs oder sieben Meilen. Wenn Sie sich ranhalten, sind Sie in drei Stunden in Goldspie.« Er grinste und entblößte eine Reihe fleckiger gelber Zähne. »Ich hätt’ Sie gerne mitgenommen auf meinen Hof, aber von da kommen Sie nich’ weiter.«
Ich wollte antworten, aber Bannermann ließ mich nicht zu Wort kommen. Wahrscheinlich war es auch gut so. Ich war noch viel zu benebelt, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Früh aufstehen ist mir schon immer schwergefallen.
»Wir danken Ihnen jedenfalls, dass Sie uns bis hierhin mitgenommen haben, Mister Muldon«, sagte er hastig. »Die letzten Meilen schaffen wir schon.« Er zog seine Brieftasche hervor, klappte sie auf und wollte Muldon einen Geldschein reichen, aber der schüttelte nur den Kopf und kaute weiter auf seiner erloschenen Pfeife herum. Sie hatte schon gestern Abend, als wir ihn getroffen hatten, nicht gebrannt, und ich war ziemlich sicher, dass er sie die ganze Zeit über nicht angesteckt hatte.
Bannermann sah ihn einen Moment an, zuckte dann stumm die Achseln und steckte die Brieftasche wieder ein. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich, sprang auf die Straße herab und begann, sich das Stroh aus den Kleidern zu klopfen. Nacheinander folgten ihm die anderen, und schließlich raffte auch ich mich auf und stieg – weniger elegant als Bannermann und seine Matrosen, aber dafür auch weitaus kräfteschonender – von der Ladefläche des hochachsigen
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