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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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persönlich. So schnell geht das nicht.«
    Die Dragoner hatten keine Ahnung, wer Finley sein könnte, aber sie wagten auch nicht mehr zu bezweifeln, daß dieser Name mit der Kommandantur zusammenhing und von Bedeutung war. »Wo gehst du von hier aus hin?«
    »Zum Fort und morgen früh mit Kurierpost weg. Capt’n Elsworthy.«
    »Danke.« Die drei zogen ab.
    Tokei-ihto setzte sich wieder zu Tashunka-witko. »Eure Verräter arbeiten sehr schnell«, sagte er. »Ich muß jetzt etwas von dir einhandeln, damit ich die Konserven und das frische Fleisch zu Recht hierlassen kann. Sonst errege ich Verdacht.«
    »Was für Fleisch?«
    Tokei-ihto öffnete die Ledersäcke und begann auszupacken. Die Frau schaute erstaunt zu.
    »Sie haben dir unsere Ration mitgegeben?« fragte Tashunka-witko.
    »Das ist nicht eure Ration. Die Rationen bekommen deine Männer morgen bei dem Fort. Es wird aber niemand sagen dürfen, du habest gestohlen. Hier!« Tokei-ihto gab dem Häuptling die Karte mit den Stempeln; die Mengen waren darauf verzeichnet.
    »Was können wir dafür geben? Wir haben nicht mehr viel. Im Kampf und auf dem Rückzug mußten wir fast alle Habe zurücklassen.« Tashunka-witko biß sich auf die Lippen.
    »Nichts sollt ihr verschenken, Bruder. Wenn es soweit wäre, würde ich meine eigenen Sachen dahingeben. Die Aasgeier werden die Zeichen unserer Taten nicht erhalten. Deine Mutter mag irgendwelche Lederstücke bemalen. Bis zum Abend ist dafür Zeit. Finley versteht unsere Sitten und unsere Kunst nicht; er wird alles kaufen.«
    »Du kennst die Watschitschun, mein Bruder.«
    »Alles, was ich von ihnen weiß, ist mit Blut bezahlt.«
    Der Häuptling gab seiner Mutter einen Wink, dem Rat Tokei-ihtos zu folgen, und sie ging hinaus, um bei Kindern und Verwandten Leder und Farbe zusammenzusuchen und ihnen zu erzählen, daß es frisches, gutes Fleisch dafür geben würde.
    Die beiden Männer blieben wieder allein.
    Tokei-ihto holte von dem Tabak hervor, den Tobias ihm geschenkt hatte, und überließ ihn Tashunka-witko. Draußen sank der Schnee lautlos. In dem Zelt blieb es auch über Mittag dämmrig. Tokei-ihto wollte sich auf dem kahlen Boden ausstrecken, um zu schlafen, da der Abend und die Nacht ihm mit neuen Anstrengungen bevorstanden. Der Häuptling gab ihm eine Decke; es war eine Wolldecke, und sie taugte nicht viel, aber Tokei-ihto nahm sie mit einer schmerzlichen Rührung, weil Tashunka-witko wie ein Bruder um ihn besorgt war.
    Der Erschöpfte schlief endlich ein, und es war ihm beim Erwachen, als ob er leichter atmen könne und sein Fieber nachlasse.
    Die Frau machte Feuer, der Rauch zog ab. Sie hatte Lederstücke, auch Baumwolltuch herbeigeschafft und begann mit Farben zu malen. Das war keine Weiber-, sondern Männerarbeit; Frauen bemalten Töpfe und bestickten die Kleidung, aber sie malten nicht die Geschichte der Männertaten. Tashunka-witko und Tokei- ihto beobachteten, was sie auf Leder und Stoff auftrug. Es waren Zauberzeichen, böse Zauberzeichen, nichts als Flüche der Unterlegenen, Betrogenen und Mißhandelten.
    Tokei-ihto schnitt einige Streifen des frischen Fleisches auf und röstete sie für Tashunka-witko und für sich selbst. Als die Frau alles vollendet, zusammengelegt und in die Ledertaschen eingepackt hatte, gab er auch ihr von dem Fleisch ab und öffnete mit dem Messer zwei Dosen. Der Inhalt stank nicht; das Salzfleisch war saftig.
    Die Frau nahm aber nichts von allem, sondern lief fort, um es den Kindern im Zeltlager zu bringen.
    »Kann ich das übrige auf alle Zelte verteilen, so wie wir immer teilen?« fragte Tashunka-witko.
    »Das kannst du. In den Büchern steht noch mehr auf eurem Namen.«
    Die Stunden liefen dahin. Die Männer wußten, daß mit dem Abend auch der Abschied für immer kam.
    Es hatte aufgehört zu schneien. Die Wolken verzogen sich ganz, und die sinkende Sonne ließ ihre Strahlen mit dunklem Gold über die Schneekristalle gleiten.
    »Was rätst du mir? Wohin sendet mich dein Wort, mein Häuptling?«
    »Was planst du, Tokei-ihto – Sohn der Großen Bärin?«
    »Ich werde es dir sagen, Tashunka-witko. Aber zuvor lasse mich wissen, wie sie euch nach euren Siegen besiegen und fangen konnten. Das müssen meine Ohren gehört haben, ehe meine Zunge sprechen kann.«
    »Wir waren unserer achttausend, Männer, Frauen und Kinder«, sprach Tashunka-witko und er sprach wieder langsam, denn alle Worte bereiteten ihm die Qual des Erinnerns. »Tatanka-yotanka und ich führten unsere Krieger. Wir hatten

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