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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hielt. Er wollte sie sich verschaffen, und er hatte sie sich verschafft. Doch was sollte er auf der Reservation damit bewirken? Die Krieger verlangten nicht mehr so stark nach Zauber, da sie wußten, daß nicht der Zaubermann die Büffel, sondern nur der Agent der Reservation die Rinder herbeischaffen konnte.
    Hawandschita hatte einst nicht nur träumen und die Männer bezaubern können. Er war auch ein tapferer Krieger gewesen, und er hatte in seinem langen Leben viel erfahren, sehr viel. Doch dachte er selten an all das, was er wirklich wußte. Sein Träumen und Wünschen ging darauf, seine einstige Zauberkraft und Zaubermacht, die er für unabdingbar wirklich hielt, wiederzugewinnen.
    Nun war dieser Sohn Mattotaupas lebend wiedergekommen.
    Hawandschita war von neuem verwirrt, denn er hatte Uinonahs Träumen nicht geglaubt. Aber auch sie war heute stärker als er. Und Untschida schien nur in das Zaubertipi gezogen zu sein, um dort ihre eigene Kraft auszustrahlen. Er besaß keine Gewalt über diese Frau, die vor drei Jahren das ganze Zeltdorf zum Kampf um den aus der Verbannung heimkehrenden Harka mitgerissen hatte.
    Dieser Sohn Mattotaupas aber saß lebend drüben im Zelt Tschetansapas.
    Hawandschita war verwirrt. Wie er nun seine eigene Verwirrung unter die Männer bringen und die Entscheidung von sich selbst wegschieben könne, das wurde ihm am Ende seines langen Gedankenganges plötzlich klar, und mit schartiger Stimme gab er Tschapa Kraushaar, der bis dahin stumm gewartet hatte, den Bescheid, die Ratsversammlung zu berufen, wie es der junge Häuptling verlangt hatte.
    Tokei-ihto, über den sein alter Gegner Hawandschita nachgedacht hatte, saß noch immer allein an der Feuerstelle in Tschetansapas Zelt.
    Endlich tat sich der Zeltschlitz auf, und Tschapa Kraushaar zeigte sich. Seine Miene war nicht froh. Er ließ sich Tokei-ihto gegenüber nieder, nestelte die Pfeife los, entzündete sie aber nicht. Es dauerte lange, bis er sich zu sprechen entschloß. »Hawandschita hat sich bereit erklärt, die Ratsversammlung einzuberufen«, berichtete er schließlich. »Wenn du darauf bestehst, sogar heute nacht noch. Aber nur, wenn Tschetansapa benachrichtigt wird und daran teilnimmt. Die anderen Ratsmänner können dem wiederum nicht zustimmen. Tschetansapa ist flüchtig. Er ist in den Augen der Langmesser ein Mörder.
    Nimmt Tschetansapa an unserer Versammlung teil, so wird sie dadurch zu einer Versammlung von Aufrührern. Unsere Männer können aber keinen Aufstand machen und wollen es auch nicht versuchen. Wir haben keine Waffen; unsere Messer sind zu kurz, um den Flinten der Langmesser zu antworten, und wir haben lange genug vergeblich gekämpft. Hawandschita hat dir mit seinen Worten nur einen neuen Hinterhalt gelegt.«
    Tokei-ihto antwortete darauf nicht. »Könnt ihr Tschetansapa hierher in sein Zelt holen?« fragte er nur.
    »Wir könnten es – aber er bringt uns alle in Gefahr, ohne einem von uns zu nützen.« Tschapa Kraushaar sagte das, aber was er sagte, quälte ihn selbst. »Wir werden auch dich verbergen müssen, mein Bruder, wie wir Tschetansapa verbergen. Es ist uns verboten, dich aufzunehmen.« Tschapa Kraushaar machte eine hilflose Bewegung, und sein Blick lief an den Zeltwänden umher, als suche er nach einem Ausweg und finde keinen. »O mein Häuptling! Dein Fuß hat unsere Zelte nur betreten, um sie wieder zu verlassen.«
    »Nein, Tschapa.« Der Heimgekehrte sprach fast ohne Klang in der Stimme, aber mit der Kraft einer unwiderruflichen Entscheidung. »Ich werde euch und eure Zelte nicht wieder verlassen. Ich werde euch mitnehmen. Wir ziehen fort aus der Reservation.«
    Tschapa Kraushaar starrte den Sprecher an. »Was sagst du hier plötzlich? Meine Ohren haben nicht recht gehört.«
    »Doch, du hast meine Worte recht vernommen.« Tokei- ihto ließ die Pfeife ausgehen, um ohne Pause sprechen zu können. »Ihr schlagt heute nacht eure Zelte ab. Eure Weiber und Kinder packen zusammen. Red Fox entläßt seine Reiter. Die Grenze hier ist nicht bewacht. Die Augen und Ohren der Langmesser sind nur auf Tashunka-witko gerichtet. Wenn wir gehen, können sie uns heute Nacht nicht daran hindern. Ich will mit euch nach Canada ziehen zu einer neuen Heimat, wo wir als freie Männer leben können. Hau.«
    Tschapa Kraushaar blickte in das Feuer und dann auf den ausgezehrten Mann, der ihm gegenübersaß. »Willst du die Weiber und Kinder in den Schnee hinausschleppen, darum, weil du selbst nicht bei uns bleiben kannst?

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