Ulysses Moore – Die Insel der Masken
als »schwarzes Getränk mit Milchtauben« beschrieben wurde und sich als Kaffee mit Sahnehäubchen entpuppte.
»Worüber unterhalten sich die Herrschaften?«, fragte sie den Oberkellner.
»Über die Geheimpolizei der Stadt. Offenbar hat sie letzte Nacht zwei illegale Druckereien aufgespürt und geschlossen, in denen verbotene Bücher gedruckt wurden.«
»Was für Bücher?«, fragte Oblivia.
Der Mann beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte ihr leise zu: »Ich glaube, dass es in ihnen um eine neue Mode geht, die aus Frankreich herüberkam. Eine Philosophie, die sich ›Aufklärung‹ nennt. Aber wie alle Moden wird sie sich wohl nicht lange halten.«
Im Hof des Hauses der Sauris warf Julia Rick einen Blick zu und folgte dann Rossella in eine mit Marmorplatten geflieste Küche.
»Wenn Alberto erst einmal angefangen hat Vorträge zu halten, kann er den ganzen Tag lang weiterreden«, erklärte Rossella, während sie durch einen länglichen Raum gingen. »Wundere dich nicht, dass du hier kein Personal siehst. Seit unserer schlechten Erfahrung mit Dante, unserem letzten Kammerdiener, möchte Alberto niemanden mehr einstellen«, fügte sie hinzu. »Er hat nicht einmal unrecht: In dieser Stadt wird einfach viel zu viel geklatscht.«
Julia hielt es für besser nicht nachzufragen, worüber denn so geredet wurde und folgte Rossella die Treppe hinauf.
Sie kamen zu einem Zimmer, das offenbar ziemlich lange abgeschlossen gewesen war. Jedenfalls hatte Rossella einige Mühe, die Tür aufzubekommen.
»Warte hier bitte einen Augenblick«, sagte sie zu Julia und ging rasch hinein, um die Fenster zu öffnen. Als das Sonnenlicht das Zimmer erhellte, sagte Rossella: »Komm rein.«
Der Fußboden war schachbrettartig mit schwarzen und weißen Kacheln gefliest. An der Wand stand ein Bett mit einem grünen Baldachin. Auf einem runden Tisch lagen neben einer Waschschüssel zahlreiche Kästchen und Schatullen. An der Wand darüber hing ein schlichter Spiegel.
»Das war Penelopes Reich«, erklärte Rossella. »Als Alberto und ich hier eingezogen sind, haben wir beschlossen, es so zu lassen, wie es ist.«
Julia ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Es roch leicht muffig in dem schon lange nicht mehr bewohnten Zimmer, aber es hing auch noch ein leicht süßlicher Duft in der Luft. Vor einem großen Gemälde blieb Julia stehen. »Ist sie das?«, fragte sie leise.
»Ja, das ist sie. Sie ist schön, nicht wahr?«, antwortete Rossella, die zu ihr getreten war.
»Wunderschön«, murmelte Julia.
Das Bild stellte ein junges Mädchen mit langen, blonden Haaren dar. Sie stand neben einem offenen Fenster, in ebenjenem Zimmer, in dem sich Julia und Rossella gerade aufhielten.
»Hat sie das gemalt?«, fragte Julia.
»Nein, das hat Ulysses ihr geschenkt, als er ihr seinen Heiratsantrag machte. Der Maler ist ein flämischer Meister, aber sein Name fällt mir gerade nicht ein.«
Julia konnte den Blick nicht von dem Gemälde lösen.
»Du siehst ihr ziemlich ähnlich, weißt du das?«, sagte Rossella. »Deshalb wollte ich es dir zeigen.«
Aus dem Innenhof drang Albertos Stimme zu ihnen herauf. »Was ist mit euch beiden? Wollt ihr nicht langsam wieder herunterkommen?«
»Ich glaube, wir sollten zu dem alten Brummbären zurückkehren«, meinte Rossella lachend und schloss die Fensterläden wieder.
Erst in diesem Augenblick begriff Julia, dass sie soeben etwas Unglaubliches erfahren hatte.
Rick sah ziemlich erschöpft aus, als Rossella und Julia den Hof betraten.
Alberto begrüßte die beiden kurz und nahm dann seine Erzählung wieder auf. »Also haben wir uns bereiterklärt, das Haus der Sauris zu übernehmen.«
Rick fasste für Julia kurz zusammen, was er von Alberto erfahren hatte. »Penelope war die Letzte der Sauri, und als sie den Namen Moore annahm, war die Familie damit so gut wie ausgelöscht.«
Oh verflixt, dachte Julia.
»In der Stadt war einiges los, als bekannt wurde, dass sich die kleine Penelope in einen Fremden verliebt hatte. Noch dazu in einen Mann aus dem Norden.«
»Genau«, schaltete Alberto sich ein. »Es war vielleicht kein richtiger Skandal, aber doch so etwas Ähnliches.«
Julia rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum und seufzte. Sie wollte Rick unbedingt von ihrer Entdeckung erzählen.
Signor Caller strich seinen Schnurrbart glatt und fragte: »Ihr habt mir aber noch nicht gesagt, warum ihr in Venedig seid. Von England hierher ist es ein langer Weg ...«
»Wir suchen jemanden«, erklärte Rick. »Und
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