Ulysses Moore – Die Stadt im Eis
des Telefons unterbrach ihr Gespräch.
Der Übersetzer der Tagebücher von Ulysses Moore stand auf und nahm den Hörer ab. »Sehr gut«, sagte er. »Das freut mich.« Dann legte er wieder auf und kehrte ins Wohnzimmer zurück. »Ich habe gute Nachrichten für Sie«, sagte er zu Mrs Bloom, die neben Fred Halbwach auf dem Sofa saß.
Er bedeutete ihr durch eine Handbewegung, ihn nicht zu unterbrechen, bevor er geendet hatte, und Mrs Bloom nickte widerwillig.
»So wie es aussieht, hat sich die Situation entspannt. Natürlich sind nicht alle Probleme gelöst, aber doch die wichtigsten. Vor allem haben wir herausgefunden, in wessen Besitz sich der Erste Schlüssel befand. Und das ist genau das, was wir uns vorgenommen hatten.« Als könne er es immer noch nicht glauben, schüttelte der Übersetzer den Kopf. »Es ist wirklich überraschend. Selbst ich wäre nicht draufgekommen, als ich die Tagebücher las.« Er sah lange die Frau an, die wiederum ihn fragend anschaute, und dann Fred, der ein Glas mit einem kalten Getränk in der Hand hielt. »Kannst du dir das vorstellen? Doktor Bowen hatte ihn.«
»Das hatte ich beinahe vermutet«, sagte Fred Halbwach. »Er ist mir schon immer ein bisschen verdächtig vorgekommen. Und für einen Arzt war er beim Spritzengeben ziemlich ungeschickt.«
»Ich glaube, er wird keine Spritzen mehr geben, Fred«, meinte der Übersetzer grinsend. »Und um auf das zurückzukommen, was ich Ihnen gerade erzählt habe, Signora Bloom … Ich möchte zum Schluss kommen, wir haben ja nur noch wenige Minuten Zeit. Als ich vor einigen Jahren die Truhe mit Ulysses Moores Tagebüchern erhielt, entdeckte ich, dass der interessanteste Teil fehlte: das Ende der Geschichte. Und damit die Antwort auf die Frage, wer eigentlich den Ersten Schlüssel hat. Meine ›Komplizen‹, wenn ich sie so nennen darf, bedauerten es, konnten es aber nicht ändern. Das Problem war, dass die Geschichte ohne ein Ende keinen Sinn haben konnte. Denn im Grunde ist es das Ende, das darüber entscheidet, ob die Geschichte in sich stimmt oder nicht. Eigentlich dreht sich diese im Wesentlichen um den Ersten Schlüssel, aber niemand weiß, wo er ist. Deshalb hatte ich die Idee, einen angeblichen Besitzer des Ersten Schlüssels zu erfinden, um den echten aus seiner Deckung zu locken. Und das hat funktioniert. Bowen muss in den Ulysses-Moore-Büchern die ganze Geschichte über seine Jugend gelesen und sich dann über Freds Flucht nach Venedig gewundert haben. Von diesem Punkt an forschte er eifriger nach und enttarnte sich dabei schließlich selbst.«
»Wollen Sie mir damit sagen«, versuchte Mrs Bloom das Gehörte zusammenzufassen, »dass meine Tochter in die Konstruktion einer Art
Falle
verwickelt wurde?«
»Ja, so etwas Ähnliches«, antwortete der Übersetzer mit einem beschwichtigenden Lächeln. »Aber eine Falle, die aus guten Absichten heraus gebaut wurde. Von den Freunden eines alten, verbitterten Gärtners, damit andere die Geschichte seines Lebens und seiner Reisen erfuhren. Und um herauszufinden, wer sie verraten hatte. Und damit alles, aber auch wirklich alles, gut ausgehen würde. Und im Augenblick glaube ich wirklich, dass es gut ausgehen wird.«
»Soll das bedeuten, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist?«, fragte Mrs Bloom seufzend.
»Das kommt darauf an, von welcher Seite aus man sie betrachtet. Aus Ihrer Perspektive, glaube ich, dürfte sie wohl bald zu Ende sein …« Der Übersetzer warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Genau in diesem Moment klingelte wieder das Telefon. »Entschuldigen Sie mich bitte noch mal.«
Er nahm den Anruf entgegen, sprach ein paar Worte und verabschiedete sich dann schnell von dem Anrufer. Er kehrte mit einem strahlenden Lächeln ins Wohnzimmer zurück. »Anscheinend funktionieren in dem betreffenden Teil Cornwalls die Telefone wieder. Es ist für Sie, Mistress Bloom. Ihr Mann und Ihre Tochter sind dran.«
Kapitel 33
Der Showdown
Der kleine Flint hatte seine Sache nicht gut gemacht. Es war ihm zwar gelungen, das Gärtnerhaus in Brand zu setzen, aber das Niederbrennen der Villa Argo war wesentlich schwieriger, als er gedacht hatte. Als sich niemand mehr in der Villa befand, war sie ihm noch viel unheimlicher als vorher erschienen, und er hatte nicht mehr gewagt, sie zu betreten. Stattdessen hatte er das wenige Benzin, das noch übrig war, auf der Veranda ausgegossen. Als ob das nicht schon gereicht hätte, war auch noch ein plötzlicher, heftiger Platzregen losgegangen und
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