Unbeugsam
zurückgeworfen und erhellten den Erdboden, ihr Licht fiel auf Scharen von Japanern, die mit nichts anderem am Leib als ihrer Fundoshi-Unterbekleidung in heller Aufregung umherhasteten. Weder Pillsbury noch die anderen Flieger wussten allerdings, dass sich unter denen, die sie aufgeschreckt hatten, auch die 98 Amerikaner befanden.
Die Heck- und Rumpfschützen in den Bombern feuerten in Richtung Erdboden und zerstörten sukzessive die Suchscheinwerfer. In die andere Richtung hatte es den Anschein, so erinnert sich Pillsbury, als würden »sämtliche Gewehre der Welt« nach oben abgefeuert. Fliegerabwehrkanonen schossen Granaten über die Flugzeuge, wo sie explodierten und Geschosskugeln herabregnen ließen. Leuchtraketen von oben und unten zeichneten gelbe, rote und grüne Spuren in die Luft. Beim Anblick des Farbenspektakels dachte Pillsbury an Weihnachten. Dann fiel ihm ein, dass sie die Datumsgrenze überflogen hatten und Mitternacht vorüber war. Es war tatsächlich Weihnachten.
Phil zog
Super Man
aus dem Sturzflug. Als das Flugzeug wieder annähernd horizontal flog, entdeckte Louie das Hecklicht einer »Zero« – so nannten die Amerikaner die extrem wendigen und äußerst gefährlichen japanischen Jagdflieger –, als sie auf die Startbahn rollte, die in Nord-Süd-Richtung verlief. Er peilte das Licht an; vielleicht konnte er die Zero ja treffen, bevor sie abhob. Dann aber folgte in unmittelbarer Nähe unter
Super Man
eine Explosion, und das Flugzeug geriet ins Trudeln. Am linken Flügel explodierte eine Granate, eine zweite am Heck. Louie sah Leuchtspurgeschosse, die in den Himmel zu seiner Rechten grelle Linien zogen. Über dem Südende der Startbahn ließ er eine Bombe fallen, wartete zwei Sekunden |93| ab, dann löste er über einer Gruppe von Bunkern und den neben der Startbahn geparkten Flugzeugen die fünf anderen Bomben.
Super Man,
befreit von seiner tonnenschweren Bombenlast, machte einen Satz nach oben. Louie schrie: »Bomben von Bord!«, und Phil zog das Flugzeug durch heftigen Flakbeschuss hindurch scharf nach links. Louie schaute nach unten. Seine fünf Bomben waren auf den Bunkern und Flugzeugen gelandet, von den Aufschlagstellen schossen Flammenbündel in die Höhe. Die Zero hatte er verfehlt; seine Bombe ging direkt hinter der Maschine herunter und tauchte die Startbahn in grelles Licht. Phil richtete
Super Man
auf den Kurs zurück nach Midway aus. Wake war ein Meer aus Feuer und rennenden Menschen.
Die Männer im Flugzeug waren aufgeregt, trunken von Adrenalin. Mehrere Zeros befanden sich in der Luft, die in der Dunkelheit allerdings nicht zu erkennen waren. Irgendwo in diesem Gewimmel von Flugzeugen feuerte eine Zero auf einen Bomber, der zurückfeuerte. Die Zero verschwand. Pillsbury schaute zur Seite und sah gelbe Leuchtspuren direkt auf ihr Flugzeug zukommen. Der Schütze einer anderen B-24 hatte
Super Man
fälschlich für ein feindliches Flugzeug gehalten und eröffnete das Feuer. Phil hatte das ebenfalls bemerkt und zog das Flugzeug aus der Schusslinie. Das Feuer wurde eingestellt.
Die Klappen des Bombenschachts standen noch offen. Die Motoren zum Schließen funktionierten zwar, aber sie bekamen die Klappen nicht von der Stelle. Als Phil das Flugzeug aus dem Sturzflug gezogen hatte, hatten sich die Behelfstanks aufgrund der enormen Fliehkraft verschoben, gerade so weit, dass es ausreichte, um die Klappen zu blockieren. Daran war nun nichts zu ändern. Mit dem offen stehenden Bombenschacht erhöhte sich allerdings der Luftwiderstand beträchtlich, und das Flugzeug verbrauchte wesentlich mehr Treibstoff. Da mit dieser Mission die Reichweite des Flugzeugs von vornherein schon bis zum Äußersten ausgereizt war, war das keine sehr gute Nachricht.
Den Männern blieb nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen. Sie ließen Ananassaft und Roastbeef-Sandwiches herumgehen. Louie war von den Kämpfen und der ständigen Vibration des Flugzeugs vollkommen erschöpft. Er starrte schläfrig hinaus in die Dunkelheit und auf die Sterne, die zwischen den Wolken zu sehen waren.
Sie hatten schon über 100 Kilometer zurückgelegt, als einer aus der Crew zurückschaute. Die brennende Insel war immer noch zu sehen.
|94| Als über dem Pazifik der Tag anbrach, stand Brigadegeneral Howard K. Ramey an der Landebahn von Midway, schaute mit tiefbesorgter Miene in die Wolken und wartete auf seine Bomber. Über dem Ozean hing in gut 60 Meter Höhe eine Nebelbank, aus der leichter Regen fiel.
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