Und ewig seid ihr mein
für den Eingriff gewesen sein?», fragte Levy.
«Einen Moment», antwortete Dragan. Er führte die Lampe nahe an die rechte obere Lungenspitze heran. Dann nahm er das Skalpell und trennte den rechten Lungenflügel vom Bronchienast ab. Aus der bereitstehenden Stahlschale wählte er ein langes, flaches Messer mit einer dünnen Klinge: das Hirnmesser. Es hatte Ähnlichkeit mit einem Tapeziermesser. Er setzte es in der Mitte des Lungenflügels an und führte einen horizontalen Schnitt, sodass er am Ende den einen Flügel in zwei Hälften aufklappen konnte.
Was sich ihm offenbarte, erhob seine Vermutung zum Sachverhalt. Er zeigte auf die Lungenspitze, wo sich grauweiße Vernarbungen im Gewebe zeigten.
«Das sind Spuren einer Tuberkulose», sagte Dragan. «Und dort», er wies auf einen kirschgroßen, umkapselten Hohlraum einige Zentimeter darunter, «ist eine Kaverne. Die Krankheit hat Lungengewebe eingeschmolzen und diesen Hohlraum hinterlassen. Vorsicht, die TB C-Bakterien können noch intakt sein.»
«Können Sie feststellen», fragte Levy, «wie lange die Krankheit zurückliegt?»
«Nicht anhand der Vernarbungen. Aber in Kombination mit der Entfernung des mittleren Lungenlappens wegen der TB C-Erkrankung kann man auf die frühen siebziger Jahre schließen. Später wurden Lobektomien nur noch selten durchgeführt.»
«Das bedeutet», schloss Michaelis, «dass unser Kandidat mindestens dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt sein sollte.»
«Richtig», bestätigte Dragan.
«Können wir die Altersgrenze nach oben hin bestimmen?», hakte Levy nach.
«Ich müsste mir mal die großen Gefäße, die Aorta und die Schlagadern vornehmen», antwortete Dragan. «Vielleicht gibt es dort etwaige Ablagerungen.»
«Geht das jetzt noch auf die Schnelle?», fragte Michaelis, «die Gruppenbesprechung beginnt in einer Viertelstunde.»
Wortlos nahm Dragan eine Schere zur Hand und schnitt die großen Blut führenden Gefäße auf. Er wurde fündig. «Sehen Sie diese gelblichen, arteriosklerotischen Innenwandbeete? Das sind Einlagerungen, aber noch ohne Verkalkung.»
«Das heißt?», fragte Levy.
«Dass wir die obere Grenze bei der Altersbestimmung auf zirka sechzig Jahre setzen können», antwortete Dragan, «sofern keine Stoffwechselerkrankung vorlag.»
Michaelis fasste zusammen. «Unser Kandidat oder unsere Kandidatin ist also zwischen vierzig und sechzig Jahre alt und wurde bis spätestens Anfang der siebziger Jahre wegen einer Tuberkuloseerkrankung an der Lunge operiert. Ist das alles?»
Dragan nickte und nahm seine Notizen zur Hand, die er sich im Laufe der Untersuchung gemacht hatte. «Mit sehr viel Vorsicht würde ich mich bei der Geschlechterbestimmung auf männlich festlegen.»
«Wegen der Größe des Atmungstraktes?», fragte Levy.
«Ja», antwortete Dragan. «Nach meinen Schätzungen ergibt sich eine Körpergröße von rund einem Meter neunzig. Das ist für einen Mann nichts Außergewöhnliches.»
«Für eine Frau aber schon», pflichtete Michaelis ihm bei.
«Sofern ich bei der Untersuchung der anderen Teile keine abweichenden Erkenntnisse erhalte, bleibt es erst mal dabei.»
«Gut», beschied Michaelis. «Ach ja, noch etwas: Wir brauchen eine DN A-Analyse . Ihren Bericht habe ich dann bis morgen früh auf meinem Schreibtisch.»
Dragan nickte und wandte sich erneut dem Obduktionstisch zu.
Michaelis drehte sich um und ging Richtung Tür, ohne Levy ein Zeichen zu geben.
Levy folgte ihr.
5
Die Fahrt in den sechsten Stock verlief wortlos. Levy und Michaelis standen Schulter an Schulter, starrten auf die stählerne Tür vor ihnen und erwarteten die Ankunft. Kurz bevor der Fahrstuhl sich auf dem Stock einpendelte, drang es doch noch aus ihr heraus. Sie schaute dabei aber weiter geradeaus.
«Hören Sie, Levy. Ich habe wahrlich nicht darum gebeten, mit Ihnen ein weiteres Mal arbeiten zu müssen. Ich habe mich auch an entsprechender Stelle dazu geäußert. Doch wie es aussieht, haben Sie Glück. Mein Chef und Demandt sehen keine andere Lösung. Dementsprechend sind Sie meinem Team zugeteilt, ob mir das passt oder nicht. Ich erwarte von Ihnen vollen Einsatz, egal welche Schwierigkeiten Sie mit Ihrem Leben haben. Das geht mich nichts an, interessiert mich auch nicht, soweit es nicht meine Arbeit behindert.
Ob das Argument des Personalmangels jedoch für Ihre Kompetenz spricht, wage ich zu bezweifeln. Wenn es nach mir ginge, wären Sie schneller draußen, als Sie reingekommen sind. Seien Sie sich über Folgendes im
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