Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
Bettüberwurf. Auf dem Nachttisch stand dasselbe Hochzeitsfoto, das er auch zu Hause bei Einar gesehen hatte, in einem hübschen Silberrahmen älteren Modells. An der anderen fensterlosen Wand stand eine antike Kommode, auf der ebenfalls jüngere Versionen des Paares Eriksson in gerahmten Fotografien aufgestellt waren. Mitten im Zimmer hatte man eine kleine Sitzgruppe im Rokokostil platziert, und der Tisch war mit einer Spitzendecke und einer Begonie geschmückt. Bücher und ein Fernseher waren das Einzige, was fehlte, fiel Sjöberg auf. Die Frau musste doch Bücher lesen, wenn sie schon ein Jahr nach dem anderen an diesem Ort verbrachte?
Er ging mit festen Schritten auf das Fenster zu, sodass sie ihn hören oder zumindest an den Erschütterungen des Fußbodens merken konnte, dass sich jemand näherte. Aber sie blieb weiterhin regungslos sitzen.
»Hallo, Solveig«, sprach Sjöberg sie an, der jetzt auch ihr Gesicht sehen konnte.
Sie starrte ausdruckslos auf den Hof hinunter, ohne seinen Gruß zu erwidern. Er legte seine Hand auf ihre Schulter, um seine Anwesenheit noch deutlicher zu markieren.
»Ich heiße Conny Sjöberg und bin ein Arbeitskollege Ihres Mannes.«
Keine Reaktion.
»Einar«, sagte Sjöberg. »Einar und ich arbeiten zusammen bei der Polizei.«
Mit keiner Miene verriet sie, ob sie verstand, was er sagte, oder ob sie ihn überhaupt hörte. Die schöne junge Frau auf dem Hochzeitsfoto war in dem gebeugten, mageren Wesen kaum wiederzuerkennen, das er jetzt vor sich hatte. Die Haare waren weiß und kurzgeschnitten, und in ihren Augen war nicht ein Hauch von Leben zu entdecken. Sjöberg fragte sich, was mit ihr passiert sein mochte. Saß sie wirklich schon seit Mitte der Siebzigerjahre so in ihrem Stuhl? Ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er an Einar dachte, der sich seit so vielen Jahren die Mühe gemacht hatte, jeden Samstag hierher zu fahren und sie zu besuchen. Was tat er? Redete er mit ihr? Saß er mit ihr zusammen im Sofa, legte er den Arm um sie und erzählte ihr von seiner Woche?
Plötzlich wurde Sjöberg bewusst, was für ein großartiger Mensch Einar sein musste. Loyal. »In guten wie in schlechten Tagen« war ein Versprechen, das Einar Eriksson offensichtlich sehr ernst nahm. Das Reihenhaus hatte er natürlich nicht in der Absicht gekauft, um allein dort zu wohnen, sondern in der Hoffnung, dass Solveig gesund würde und sie gemeinsam dort leben konnten. Niemand konnte ihm Vorwürfe machen, dass er sich während der letzten zwei Jahre mit einer anderen Frau zusammengetan hatte. Er selbst hätte viel früher resigniert. Aber Einar hatte die Frau, die er einst geheiratet hatte, immer noch nicht aufgegeben, nicht einmal, als er begonnen hatte, sich mit Catherine Larsson zu treffen. Sjöberg nahm Solveig Erikssons Hand.
»Solveig«, sagte er, »kannst du mir zeigen, dass du hörst, was ich dir sage? Bewege einfach nur ein bisschen die Finger. Ich kenne Einar, Solveig. Einar.«
Die schlaffen Finger in seiner Hand rührten sich nicht, und ihr Blick war nach wie vor auf etwas Unbestimmtes draußen vor dem Fenster gerichtet.
»Glaubst du, dass Einar in der Lage wäre, einen Mord zu begehen, Solveig? Könnte Einar zwei kleine Kinder ermorden?«
Immer noch keine Reaktion. Wenn sie ihn gehört hätte, ihn verstanden hätte, wäre sie dann nicht zumindest ein bisschen neugierig geworden? Er fragte sich, wie sie reagieren würde, wenn er sie schlagen, ihr eine Ohrfeige verpassen würde. Aber das war nichts, was er tatsächlich ausprobieren wollte. Stattdessen versuchte er, bedrohlich zu wirken. Drohungen und Belohnungen waren bewährte Methoden im Umgang mit Kindern, aber in diesem Fall fühlte er sich unsicher. Er zog die Hand zurück und schaute zu, wie ihre Finger wieder zurück auf die Decke über ihrem Knie fielen.
»Einar ist weg, Solveig. Verschwunden. Wenn du mir nicht hilfst, kann er vielleicht nie wiederkommen und dich besuchen.«
Aber Solveig Eriksson starrte nur stumm geradeaus, sodass Sjöberg schließlich aufgab und sie verließ.
Als er wieder an die Rezeption im Erdgeschoss trat, war die Frau hinter der Glasluke verschwunden. Er klopfte an das Fenster, und aus einem Hinterzimmer kam ein etwa dreißigjähriger Mann.
»Ich möchte mit jemandem sprechen, der Solveig Eriksson kennt«, sagte Sjöberg.
»Das tun wir alle«, antwortete der Mann mit einem freundlichen Lächeln.
»Am liebsten jemand, der hier schon gearbeitet hat, als sie hierhergekommen ist. Sagen wir derjenige,
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