...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land
Nagelfeile und zum Putzen seiner Nägel einen stumpfen Bleistift. Wichtige Telefonnummern notiert er auf einer Papierserviette, die er verliert. Bei extremer Nervosität ruft er den Notdienst an, weil ihn das Besetztzeichen beruhigt. Wenn nicht besetzt ist, weiß er, daß er eine falsche Nummer erwischt hat und legt auf.
Der Trotzdemianer ist stolz und freiheitsliebend. Er reist viel, bestellt in vegetarischen Gasthäusern mit Vorliebe Beefsteak, in Sushi-Bars Wienerschnitzel, natürlich nur vom Kalbfleisch. Zwischen zwei Reisen kauft er Dutzende von Lotterielosen. Er legt größten Wert auf Hygiene. Zum Einpacken von Käse verwendet er kein beliebiges Zeitungspapier, sondern Hochglanzmagazine. Auch in der Oper benimmt er sich sehr wohlerzogen und wirft die Orangenschalen nicht auf die Bühne, sondern unter den Sitz.
Seine trotzdemianische Sprache ist reich an Überraschungen und sprachlichen Vieldeutigkeiten. So sollte ein Uneingeweihter wissen, daß er zum Beispiel bei der Ankündigung »Wird gleich erledigt« gar nicht erst zu warten braucht und bei der Beschwichtigung: »Nun machen Sie sich mal keine Sorgen« das Schlimmste befürchten sollte. Ein gutes Zeichen ist hingegen, wenn er gar keine Antwort bekommt. Dann gibt es noch eine gewisse Hoffnung.
Der Trotzdemianer gewinnt Kriege, wenn ihn die Amerikaner nicht daran hindern. Er lenkt seinen Panzer verschlafen in die falsche Richtung, nimmt den feindlichen Generalstab versehentlich gefangen und kehrt immer noch verschlafen als Sieger zurück. Außer für militärische Fragen interessiert er sich nur für die Bar-Mizwa seines Sohnes Nimrod und für Fußball. Er betreibt auch selbst Sport, obwohl er eigentlich am liebsten den ganzen Tag in einem Liegestuhl auf dem Balkon faulenzen würde. Wenn der Liegestuhl nicht kaputt wäre. Er hat ihn zwar schon ein paar Mal mit Klebestreifen repariert, aber die Beine halten nicht. Man wird sie übermalen müssen.
Der Trotzdemianer ist letzten Endes ein netter Kerl. Er hat seinen eigenen mediterranen Lebensstil entwickelt, an den man sich erst gewöhnen muß. Er hat vielleicht nicht die feinste Lebensart, aber für einen Humoristen ist er ungemein ergiebig.
Ich jedenfalls habe ihn gern.
Das war also Israel aus der Nähe. Wie schon erwähnt, sieht es aus der Ferne viel vorteilhafter aus. Und der Israeli, gewissermaßen von Natur aus schizophren, hat die sonderbare Fähigkeit entwickelt, sein Land gleichzeitig aus der Nähe und aus der Ferne zu betrachten.
Von wo aus auch immer er es betrachtet, es ist das einzige Land, das ihm gehört, das einzige Land auf Erden, in dem ein Jude kein Jude mehr ist.
Es ist das Land, das ihm seine Menschenwürde wiedergegeben hat, und die ist für seine »Sabres« etwas so Selbstverständliches, daß sie gar nicht mehr verstehen, worüber er sich so aufregt.
Es ist das Land seiner Väter, es ist seine historische, seine gegenwärtige und seine zukünftige Heimat. Er liebt es mit all seinen Fehlern, aber er möchte auch die Vorzüge lieben dürfen, auch die einmaligen Leistungen, die er vollbracht hat.
Er möchte stolz darauf sein, ein Israeli zu sein, ein Mensch wie alle anderen auch.
Schalom.
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