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Und wir scheitern immer schöner

Titel: Und wir scheitern immer schöner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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Meld mich noch mal, wenn ich beim Arzt war.»
    «Is gut, Schätzchen. Gute Besserung.»
    «Ich hab ein Kind umgebracht.»
    Sie hat schon vor dem entscheidenden Satz aufgelegt.
     
    Als ich dann abends vor dem Fernseher saß und eine Quizshow guckte, hatte ich bereits ein zersägtes, zwanzigteiliges Kind in meinem Gefrierschrank. Und zwar in folgender Beutelverteilung:
     
    Teil 1: linke Schädelhälfte mit Gehirnsuppe
    Teil 2: rechte Schädelhälfte mit Gehirnsuppe
    Teil 3: Halswirbelsäule, inklusive äußerer Hautlappen
    Teil 4: Schulter links bis ungefähr zur Brust
    Teil 5: Schulter rechts bis ungefähr zur Brust
    Teil 6: Brustkorb, mehrfach gebrochen + Organpüree
    Teil 7: linker Arm, einfach gebrochen
    Teil 8: rechter Arm, einfach gebrochen
    Teil 9: halber Oberschenkel rechts
    Teil 10: Restschnitt Oberschenkel rechts
    Teil 11: halber Oberschenkel links
    Teil 12: Restschnitt Oberschenkel links
    Teil 13: Organ- und Knochenpüree
    Teil 14: Organ- und Knochenpüree
    Teil 15: Organ- und Knochenpüree
    Teil 16: Bauchfleisch
    Teil 17: Wirbelteile
    Teil 18: Wirbelteile
    Teil 19: Kleinteile wie Knochen, Knorpel, Gelenke
    Teil 20: Resthaut, Blut, Verkrustungen, Flüssigkeiten, Genbestände, was weiß ich ...
     
    Das habe ich auf einen Zettel geschrieben und dann in große Gefriertüten portioniert. Meine Küchenmaschine ist kaputt.
     
    Die Küche ist wieder sauber. Ein zwanzigteiliger Siebenjähriger wohnt in einem Gefrierschrank in der Küche bei minus achtzehn Grad. Bei diesem Gedanken wird mir noch lange nicht kalt. Kopf on. Gefühl off. Forever. Das Kind ist jetzt bei mir, in meinem Gefrierschrank.
     
    Das will ich nach und nach wegschmeißen, um wieder Platz für Gemüse zu machen.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Frau Klose und der liebe Gott
     
     
    Ich: «Halleluja, Halleluja!»
    Alle: «Halleluja, Halleluja!»
    Ich: «Amen!»
    Alle: «Amen!»
    Ich (in Gedanken): «Wollt ihr den totalen Krieg?»
    Alle (in Gedanken): «Jaaaaa!»
     
    Meine Gemeinde ist geisteskrank. Dreht sich um ihre Moral und begeistert sich fürs Christentum, und wenn man dann in eine Familie geht, bemerkt man unter der Oberfläche Psychoterror, geschlagene Frauen, fremdgehende Männer, irgendwelche Druckmittel, um Familien augenscheinlich aufrechtzuerhalten.
     
    Ich bin ihr geistloser Geistlicher und verzweifle an all diesem menschlichen Elend, was wirklich gut versteckt im Bürgertum immer wieder sichtbar wird. Diese kleinen Perfektionsschweine. Alles schon gesehen, alles wissend. Alles gelesen. Mit jedem schon gesprochen. Köpfe voll mit sinnlosen Informationen.
     
    Da sitzen meine schizoiden Lämmer und schreien nach Erlösung für ihre verkommenen Existenzen. Beten sich sonntäglich um ihren ärmlichen Verstand. Gucken sackdumm gen Altar und warten auf Wunder, die nicht kommen werden. Loben Gott in ihrer christlichen Verzweiflung.
     
    Ich bin katholisch-schizophren. Ich halte eine Messe, mit den Leuten, die hier sind, um ihr Gewissen durchzuspülen. Beten soll ja helfen. Ich bin der, der hinterm Altar steht und all diese armen, abgetriebenen Lämmer grundlegend verarscht. Mit diesem Wissen stehe ich hier und es tut ein wenig weh, aber Menschsein bedeutet scheinbar all das.
     
    Sie setzen sich hin. Sie stehen auf. Sie machen eine Stunde, was ich will. Sie hören mir zu. Sie glauben mir, wenn ich Brot teile, dass darin Jesus wohnt. Unglaublich. Und der Wein ist das Blut, natürlich. Religion ist die Krücke der Hoffnungslosen, Gott der letzte Gesprächspartner. All das erscheint mir mit voranschreitendem Leben und Wissen als Farce. Tragik. Drama.
     
    Obwohl ich an Gott glaube, verachte ich, was ich tue. Meine Wahrheit ist nicht die Wahrheit der Katholiken. Gott ist für mich in anderen Dingen. Er wohnt in guten Gesprächen, in guten Filmen, in klassischer Musik und in schwerem Wein. Aber als nicht papstkonformer katholischer Geistlicher hat man hier auf dem Land einfach verschissen. Also spiele ich ein wenig mit, und alle lassen mich in Ruhe. Aber die Zweifel werden nicht müde. Der Gedanke, dass ich mein Leben verschenke, lässt mich nicht in Frieden dumm sein.
     
    Ich mag die Menschen an und für sich. Die Moralisten, Faschisten, Molkebauern dieser Gemeinde sind meine Front. Vor ihnen präsentiere ich das heilige Wort. Unabdingbare Dinge. Sie glauben. Ich lüge. Sie glauben. Ich Schwein.
     
    Ausgesprochen unaussprechlich dies. Diese Diskrepanz zwischen Stimmung und Wirklichkeit. Spoken words

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