Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Weltlichen gegenüber. Geschafft.
So ähnlich musste Buddha mit Rati umgegangen sein, mit jener betörenden Schönheit, deren Sinnlichkeit ganze Dörfer entvölkerte. Die Männer liefen ihr nach, dieser Göttlichen, und erlagen dem Duft ihres Schamhaares wie die Gefährten des Odysseus dem Gesang der Sirenen. Krieger gaben den Kampf auf. Könige vergaßen ihr Reich. Wandermönche fielen vom Glauben ab und verzehrten sich nur noch nach Rati.
Nicht Buddha. Der nicht! Er sah ihr fest in die Augen, im Sein gegründet und unbeirrbar. Und so saßen sie einander gegenüber, einen Tag lang und eine Nacht, bis Rati in der Morgendämmerung zu zittern begann. In diesem Zittern schmolz ihre Schönheit. Verflog ihr Duft. Verdorrte die Sinnlichkeit. Die Wahrheit kam zum Vorschein unter ausfallenden Haaren und schrumpelnderHaut: eine Teufelsfratze. Die Furie floh. Buddha aber war erleuchtet.
Na bitte! Ich würde dem Mädchen gern noch einmal in die Augen sehen, und dann auch länger. Vielleicht sogar einen Tag lang und eine Nacht. Nur nicht jetzt. Noch war ich nicht stark genug. Jetzt kaufte ich zum Brot erst mal nur einen Stapel Ansichtskarten. Eine für meine Eltern, eine für Jakob in seiner Westerwaldklinik, eine für Alexander in seinem Kirchdorf, eine für Hannah, für den Fall, dass ich auf sie zurückkommen musste. Die schönste würde ich Lena schicken, mit sehnsüchtigen Worten.
Als ich den Laden verließ, merkte ich mir die auf ein Pappschild gemalten Öffnungszeiten. Dienstag, Donnerstag, Samstag von acht bis zwölf. In dieser Zeit waren wir zur Meditation verdonnert. Tatsächlich, es war eine Prüfung.
Draußen fiel noch etwas anderes auf: Der Frühling hatte begonnen. Die Sonne wärmte. Es roch nach Erde. Auf der Wiese vor der Abtei standen Pfützen. Die Erdschollen sogen Licht ein und weckten die Keimlinge. Ein kühler Wind, an den Rändern schon warm, trug vom Waldhang das Läuten der Meisen herüber. Am Bahnwärterhäuschen jenseits des Flusses waren die grünen Fensterläden aufgeklappt. Jemand lüftete die Zimmer. Das Haus wurde bezugsfertig gemacht! Von jetzt an wäre es bewohnbar. Da stand die Klause, vom Zen-Pater erst im vergangenen Jahr erworben, und wartete auf einen Einsiedler, auf einen sturmfesten Meditierenden, der allein und kompromisslos dem höheren Selbst dienen wollte. Dieser Einsiedler würde ich sein.
Als ich Pater Felix meinen Wunsch vortrug, fielen ihm keine Einwände ein. Ich hatte zuverlässig meditiert. Mein Geist wirkte ruhig und stabil. Und das Haupthaus konnte mein Zimmer gebrauchen. Im Frühling wurden verstärkt Retreats angeboten. Mehr Leute kamen an den Wochenenden und meldeten sich zu längeren Retreats an. Sie wollten im Kraftfeld der Gruppe sitzen, den Sockengeruch der Nachbarn einsaugen, gänsemäßig im Kreis gehen und sich auf ein zukünftiges Leben im Jetzt vorbereiten.
Björn ärgerte sich, dass er nicht vor mir auf die Idee gekommen war. Als Höhlenforscher sei er prädestiniert für das klausnerische Leben. Aber vorläufig gab es nur dieses eine Eremitenhäuschen, und ich hatte als Erster dafür votiert. Eine höhere Miete war fällig. Gut, dass meine Eltern sich inzwischen in Broschüren von der Qualität der Klosterbibliothek überzeugt hatten. Ja, ja, genau, ich setzte mein Studium der Philosophie mit unverminderter Zielstrebigkeit fort.
Bevor Pater Felix mir den Schlüssel aushändigte, fand er es zweckmäßig, uns beiden gefährdeten Männern etwas zum sorgsamen Umgang mit Energien zu sagen. »Die Tibeter haben da einen einfachen Rat.«
Der Pater war persönlich mit einem Experten befreundet, dessen Bücher im Hause auslagen und zum Verkauf angeboten wurden, Sogyal Rinpoche. Der hatte ihm vor Jahren ein himalayataugliches Rezept anvertraut, das zumindest bei Tibetern so wirksam war, dass dem Volk das Aussterben drohte. Es betraf die Liebe oder vielmehr die unheilvolle Neigung, die eigenen Gene weiterzugeben.
»Allerdings muss ich euch vorwarnen«, sagte der Paterund lächelte abbittend. »Es klingt scheußlich. Doch es ist gut gemeint. Und es wirkt. Wer sich verliebt hat und einen anderen begehrt, der soll nach tibetischem Rat die Echtheit der Empfindung auf die Probe stellen.«
»Völlig d’accord«, nickte ich musterschülerhaft. Björn zog nur einen Mundwinkel nach oben.
»Und die Echtheit seiner Empfindung wird, so schlagen die Weisen es vor, mit Hilfe der Einbildungskraft geprüft. Wer also verliebt ist, stellt sich den Körper und das Gesicht
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