Unter dem Weihnachtsbaum in Virgin River (German Edition)
jahrelang Zeit.
Rose stellte sich hinter sie und legte Annie die Arme um die Taille. „Wenn du willst, kannst du mit ihnen fahren”, sagte sie leise. „Ich habe hier
mehr
als genug Hilfe in der Küche. Viel zu viel, wenn du mich fragst!”
Annie lachte über ihre Mutter. „Ich bleibe hier. Nach dem Essen muss ich für Santa ein paar Welpen ausliefern. Jetzt sind nur noch drei kleine Jungs übrig. Ich glaube, nach Weihnachten, wenn es im Geschäft wieder ruhiger wird, werde ich eine Annonce aufgeben. Und ich will auch das Tierheim anrufen, um zu sehen, ob nicht Leute, die sie für potenziell gute Pflegeeltern halten, einen kleinen Hund suchen.”
Rose schob ihrer Tochter mit einem Finger das Haar hinter die Ohren. „Kann es sein, dass du dieses Jahr ein bisschen niedergeschlagen bist?”, flüsterte sie.
„Es geht mir gut”, antwortete Annie und schüttelte den Kopf.
„Es ist in Ordnung, wenn du ihn vermisst, vor allem während der Feiertage”, fuhr Rose fort. „Ich mag Nathaniel. Er scheint ein guter Junge zu sein.”
Junge
, dachte Annie amüsiert. Sie konnte ihrer Mutter schlecht sagen, dass er ganz und gar ein Mann war. Mehr als alles, was sie sonst in ihrem Erwachsenenleben erfahren hatte. Und sie hoffte, dass er ihr, wenn er wieder daheim war, genauso auf die Pelle rücken würde, wie er es getan hatte, bevor er abgereist war. „Lass uns zusehen, dass alles auf dem Tisch steht, Mom. Ehe wir uns versehen, sind sie wieder zurück und völlig durchgefroren.”
Natürlich ließen die Kinder nicht zu, dass ihre Fahrt auf dem Heuwagen ein Ende nahm, bevor sie nicht blau vor Kälte waren. Hank fuhr mit dem Wagen direkt hinters Haus, um die Kinder aussteigen zu lassen, sodass ihre Mütter sich um sie kümmern und sie aufwärmen konnten. Dann spannte er mithilfe seiner Söhne die Pferde aus, brachte sie in den Stall, wo er sie abbürstete und fütterte. Als sie alle wieder zusammenkamen, wurde es laut im Haus und Essensdüfte breiteten sich aus, in denen nebenbei auch der Duft von Heu und Pferden mitschwang. Von Lachen unterbrochen erzählten sie sich Geschichten von ihren Heufahrten, während das Fleisch geschnitten und ein köstliches Gericht nach dem anderen an die Tische getragen und herumgereicht wurde.
Die Heufahrt diente auch keineswegs nur dem Vergnügen. Sie war dazu gedacht, dass die Kinder sich austobten, damit sie nicht die halbe Nacht aufblieben. Nach dem Hauptgang und dem Dessert gingen die Frauen in die Küche, um aufzuräumen und Kaffee zu machen, während der Großvater, Annies Brüder und die Kinder verschiedene Brettspiele hervorholten. Das war der Zeitpunkt, an dem Annie sich kurz verabschiedete. Sie musste zu Nates Haus, ihre Weihnachtswelpen abholen und ein paar Auslieferungen machen.
Warm eingepackt ging sie auf dem Weg zu ihrem Truck ums Haus herum nach hinten. Der Mond stand so hoch und war so hell, dass er die Farm beleuchtete. Der verwitterte rostrote Viehstall stand dort so still. Annie erinnerte sich an die Zeit, als es darin vor Leben wimmelte. Kühe, Pferde, Ziegen, Hühner, von Menschen ganz zu schweigen. Alle Kinder der Familie McKenzie hatten große Partys auf der Farm gefeiert. Dann hatte ihr Dad ein großes Loch gegraben, sodass sie auf heißen Kohlen Maiskolben rösten konnten. Sie grillten Würstchen und Rose zauberte jedes Mal eine große Schüssel Kartoffelsalat und hart gekochte Eier, die mit einer Mayonnaise gefüllt waren, für die man hätte sterben können. Die Kinder, die aus dem Ort zu Besuch kamen, liefen wie wild über die Wiesen, durch die Scheune und im Wald herum. Sie schwangen sich an einem Seil, das an den Dachsparren der Scheune befestigt war, herunter und ließen sich in einen Heuhaufen fallen. Während sie den Blick über die Hügel und Weiden schweifen ließ, war es für Annie, als wäre es erst gestern gewesen.
Eines Tages, dachte sie, werden meine eigenen Kinder und ihre Freunde hier spielen.
Sie kletterte auf den Heuwagen, legte sich in das duftende Heu und schaute zum Himmel hinauf. Der war klar, schwarz und mit Sternen übersät. Im Augenblick bebte das Haus vor Lärm, aber normalerweise war es auf dem Land so ruhig, dass man hundert Meter entfernt ein Blatt rascheln hören konnte.
Als sie hörte, dass sich ein Auto näherte, setzte sie sich auf. Sie erkannte den Truck ihrer nächsten Nachbarn, der Dicksons. Auch das war eine Sitte auf dem Land. Die Leute besuchten sich gegenseitig, brachten hausgemachte Leckereien mit und blieben
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